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    KÖPFE DER GEGENWART 
    
    Die Unbeugsame 
      
    
    TEXT:  
    
     
    
    BJÖRN BRÜCKERHOFF 
    BILD: JULIA KNOP 
     
    
    
    
    
    Wir 
    schreiben das Jahr 1998. Ganz Deutschland wird von quirlig bunten
    Wirtschaftsmagazinen überflutet, die mit immer neuen, spritzigen Motiven um
    das höchste Gut buhlen: die Aufmerksamkeit des Lesers. (auch 
    gern mit Pin-Ups auf dem Cover). Ganz Deutschland? Nein! Eine kleine, von
    schier unbeugsamen Redakteuren besetze Redaktion in Hamburg hört nicht auf, dem
    Einheitsbrei erbitterten Widerstand zu leisten. Ihnen voran: Gabriele Fischer, erst
    Chefredakteurin des inzwischen eingestellten Wirtschaftsmagazins "Econy", jetzt
    verantwortlich für das Magazin "brand eins" und erfolgreiche Verfechterin einer
    neuen Art von Magazinen der "Neuen Wirtschaft". 
     
    Brückerhoff: Im Editorial der ersten Econy-Ausgabe schrieben Sie, man müsse ein Magazin
    machen für Leute, die aufbrechen. Das hat sich mit brand eins nicht geändert. Reichen
    diesen Menschen schön geschriebene Artikel? 
     
    Gabriele Fischer: Wohl kaum. Sie brauchen Wissen, sie brauchen Vorbilder und Beispiele
    dafür, wie es in schwieriger Situation weiter geht, sie brauchen Orientierung in einer info-überfluteten und oberflächlichen Welt, sie brauchen das Gefühl, nicht allein zu
    sein. brand eins, so schreiben uns zumindest unsere Leser, scheint das zu liefern;
    zusammen mit einem ordentlichen Paket Genuss, Sinnlichkeit und Unterhaltung. 
     
    Brückerhoff: "Econy" scheiterte, warum kann es brand eins schaffen? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: brand eins hat sich in seinem ersten Jahr sehr gut entwickelt. Es wird
    immer stärker an- und vor allem ernst genommen, das Interesse von Lesern, aber auch
    Anzeigenkunden an dem Magazin steigt. Econy ist ja übrigens auch nicht gescheitert, weil
    die Idee falsch war: Wir waren auf einem guten Weg, als wir uns nach einigen
    Auseinandersetzungen vom Verlag und Econy trennten. Auflage und Anzeigen zeigten damals
    deutlich steigende Tendenz; einer der Gründe, warum der Verlag glaubte, den Rest schaffen
    sie auch ohne uns. Aber wer Leser mit Qualität und Haltung zu gewinnen sucht, braucht
    nicht nur einen langen Atem - er muss auch wissen, dass diese Leser auf Einbußen bei
    Qualität und Haltung sehr sensibel reagieren. 
     
    Brückerhoff: Woher nehmen Sie Ihren Optimismus? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    ... und würde ich ein Apfelbäumchen pflanzen? Im Ernst: ich glaube einfach 
    daran, dass es trotz aller Entwicklung zum Fast Food einen Platz für 
    Journalismus mit Hintergrund und Tiefgang, jenseits des 
    Häppchen-Journalismus gibt. Und viele Mails von vielen Lesern bezeugen uns 
    immer wieder, wie interessiert sie sind, endlich mal wieder Geschichten zu 
    lesen, an denen man auch mal kauen muss. 
     
    Brückerhoff: Was heißt "brand eins"? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: Die erste Adresse der Redaktionsgesellschaft war: Brandstwiete 1. 
     
    Brückerhoff: Was ist charakteristisch für "die Neue Wirtschaft"? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    
    Das dort Produktivität durch Wissen entsteht, durch 
    Kreativität. Und das hat ungeheure Folgen. Denn wenn ich von einem 
    Mitarbeiter seine Kreativität will, muss ich ihn entsprechend behandeln. Und 
    wenn mein Wettbewerbsvorteil (flüchtiges) Wissen ist, muss ich immer in 
    Bewegung bleiben. Und ich muss mir auch überlegen, ob das alte 
    Konkurrenzmodell mit seinen ganzen Aufkäufen und Fusionen für diese Form der 
    Wirtschaft passt oder ob Netzwerke nicht viel effektiver sind. 
     
    Brückerhoff: Die ausgezeichnete Optik des Heftes macht nicht den Unterschied zu
    "Econy" aus. Was ist es dann? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    
    "Econy" war ein Wirtschaftsmagazin, gedacht für eine
    Zielgruppe, die es damals noch gar nicht richtig gab. Neue Wirtschaft? War ein Fremdwort,
    als wir im November 1997 den Dummy vorlegten. Und es gab unendlich viele neue Geschichten
    von Leuten zu erzählen, die in eine neue Wirtschaft aufgebrochen sind. Zwei Jahre später
    hatte sich jede Lokalzeitung auf die jungen und alten Gründer gestürzt, die Neuen waren
    auch in der etablierten Wirtschaftspresse angekommen. Und auch wenn wir Econy behalten
    hätten, hätten wir das Konzept verändern müssen. "Econy war die Kindheit und
    Pubertät der neuen Wirtschaft - nun ist sie erwachsen und braucht brand eins" - hat
    unser Art Director Mike Meiré damals formuliert. Und ich denke, das trifft es: brand eins
    sucht die Zusammenhänge, sucht das Wissenswerte und will so Überblick und Orientierung
    liefern, nicht nur schnelle Information. 
     
    Brückerhoff: Wie geht es weiter mit brand eins? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    Wir überzeugen immer mehr Leser, bekommen immer mehr Anzeigen, machen aus 
    dem Magazin "brand eins" die Idee brand eins - und wenn sie nicht gestorben 
    sind... 
     
    Brückerhoff: Was war Ihr größter Erfolg? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: Dass damals, nach der Econy-Einstellung durch den Spiegel, alle Kollegen
    ohne Geld und überzeugende Perspektiven im Team geblieben sind. Wenn ich daran denke,
    wird mir bis heute ganz warm. 
     
    Brückerhoff: Viele Journalisten fragen nach dem Nutzwert von brand eins. Wo liegt
    er? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: Der Nutzen von Print ist für mich, Geschichten zu erzählen, die zu
    eigenen Ideen inspirieren, zum Nachdenken, zum Freuen. Und die optisch so dargeboten
    werden, dass ein paar Sinne mehr angesprochen werden als beim click. 
     
    Brückerhoff: Wohin wird sich brand eins entwickeln? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    brand eins hat das Zeug, ein Magazin mit Einfluss zu werden, weil unsere 
    Art, die Dinge zu sehen, Reaktionen auslöst und weil eine exzellente und 
    außergewöhnliche Leserschaft hinter uns steht; das hat unsere Leser-Umfrage 
    gezeigt. Ich glaube zudem, dass es für die Idee brand eins, also die Idee 
    einer Wirtschaft, die für und nicht gegen den Menschen arbeitet, dass es für 
    diese Idee noch andere Ausdrucksformen als das Magazin geben kann. 
     
    Brückerhoff: Wie nutzen Sie das Internet als Privatperson? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: Was ist privat, wenn man einen Job macht, der ziemlich viel von der Person
    abdeckt? Ich maile, auch privat. Ich surfe, dienstlich wie privat, eher selten und meist
    nur aufgrund gezielter Tipps. 
     
    Brückerhoff: Was fasziniert Sie am Internet? Welche Perspektiven sehen Sie für
    Ihr Magazin im Internet? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    Faszinierend finde ich vor allem das Kommunikationsmittel Internet. Und ich 
    bin auch ziemlich sicher, dass sich über die neuen Möglichkeiten der 
    Gesellschaft mindestens so viel verändern wird wie durch den hochgejubelten 
    E-Commerce. Für brand eins ist das Internet in erster Linie ein Marktplatz, 
    auf dem wir einen feinen Kiosk aufgestellt haben, wo wir Gleichgesinnte 
    finden, die uns unterstützen, wo wir inzwischen auch Hefte verkaufen. Wir 
    haben auch noch viele Ideen, wie wir unseren Lesern Beratung, zusätzliches 
    Wissen, zusätzliche Dienstleistungen bieten können. Aber solange man für 
    Wissen im Netz kein Geld bekommt, bin ich, was die Erlösmodelle angeht, sehr 
    skeptisch. Und so nehmen wir dafür erst mal keine Millionen auf. 
     
    Brückerhoff: Gabriele Fischer - Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer:
    Blau, blauer, am blau-sten! 
     
    Brückerhoff: Frau Fischer, haben Sie Freizeit? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    Wenig. Aber zum einen kann ich sie genießen und zum anderen kommt mir mein 
    Job manchmal auch wie Freizeit vor. 
     
    Brückerhoff: Was fehlt der Welt noch? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    Mehr als hier aufzuschreiben wäre, vor allem: Toleranz. 
     
    Brückerhoff: Welche Frage wird Ihnen am häufigsten gestellt? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    Woher ich den Mut genommen habe. Dabei war das keine Frage von Mut. 
     
    Brückerhoff: Drei Dinge, die Sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    Gilt eine Bibliothek als ein Ding? Dann bräuchte ich daneben nur noch Papier 
    und Bleistift. Und ließe sich über meinen Mann reden? 
     
    Brückerhoff: Können Sie ohne Computer leben? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    Können? Natürlich. Wollen? Nein. 
     
    Brückerhoff: Was machen Sie 2020? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: Ich sitze mit meiner Freundin in deren Kräutergarten, wir reden über die heißen Jahre mit brand eins, über den Vortrag, den ich morgen halten soll und über das
    Buch, das ich nicht schreiben will. 
     
    Brückerhoff: Aus Ihrem Fundus: Angenommen, jemand schenkt Ihnen eine Woche Zeit.
    Was machen Sie? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    Im Moment würde ich, glaube ich, gern meine Mailbox und meinen Schreibtisch 
    aufräumen - ich war gerade im Urlaub. Normalerweise: richtig faulenzen.
      
     
    Brückerhoff: Haben Sie Vorbilder? 
     
    
    
    
    
    Gabriele Fischer: 
    Es gibt Menschen, die ich bewundere, weil sie authentisch sind. Darum bemühe 
    ich mich auch - aber ich will nicht sein, wie jemand anderes.  
     
      
    
    
      
       
       
      
     
     
    
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