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    GEBÜHRENEINZUGSZENTRALE 
    Die 
    Kulissenschieber 
    
    
     
     
    
    
    
    TEXT:  
    
     BJÖRN 
    BRÜCKERHOFF 
    
     
     
    Hilfe, die Peilwagen kommen. Die Pantoffeln im Flur sind 
    gezählt, Fangfragen  haben längst zu Widersprüchen geführt. Die Spitzel 
    durchsuchen den Hausmüll. Der Fernsehtechniker entpuppt sich als 
    Gebührenfahnder. Nachts 
    stehen sie vor dem Fenster und warten auf das blaue Leuchten. Noch ein 
    Gerät, wo keines sein darf. Wo sind sie, die weggeworfenen 
    Fernsehzeitschriften. 
     
    Alles Quatsch? Mag sein. Urbane Legenden ranken sich seit ihrer Gründung um 
    eine der "geheimnisvollsten deutschen Behörden" (SZ Magazin). In Kinospots 
    und Werbeanzeigen könnte das selbst aufgebaute Negativ-Image der 
    Gebühreneinzugszentrale, kurz GEZ, korrigiert werden. Doch die 
    Außendarstellung der GEZ klärt 
    nicht auf, wirbt nicht mit Qualität für Verständnis. Sie gießt Öl ins Feuer.
     
     
    Dabei wäre es besser, gar nichts zu sagen. Denn wer sich die Erhebung 
    privater Daten und deren Verwaltung ansieht, bekommt es mit der Angst zu 
    tun. 
     
    Jeder ist verdächtig 
     
    Seit die GEZ 1976 das Inkasso von der Deutschen 
    Bundespost übernommen hat, sind Datenschützer besorgt über die systematische 
    Konzentration personenbezogener Daten und deren Verwendung zur Ermittlung 
    von " ungezogenen" (GEZ-Jargon) Schwarzsehern und Schwarzhöhern. 
    2003 ist die GEZ in der Lifetime-Sparte der
    Big 
    Brother Awards ausgezeichnet worden. 
    Laudator Thilo Weichert fasst zusammen:
    
    "Praktisch die gesamte Datenerhebung der GEZ basiert auf der 
    bürgerfeindlichen und zugleich falschen Unterstellung, alle Menschen in 
    Deutschland, die keine Gebühren für Rundfunk und Fernsehen bezahlen, seien 
    Schwarzhörer und -seherinnen." Jeder ist verdächtig.  
     
    Zur Ermittlung potenzieller Nicht-Zahler gleicht die GEZ ihre 
    eigenen Datenbestände mit den Angaben von Meldeämtern oder 
    Kfz-Zulassungsstellen ab. Denn mit der Änderung des 
    Melderechtsrahmengesetzes hat sich die Zentrale den Zugriff auf Ummeldedaten 
    aller deutschen Meldeämter (außer in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) 
    legalisieren lassen. Und: Sie greift auch auf Drittquellen zurück. Das 
    kann schlicht ein nachbarschaftlicher Denunziant sein. Immer häufiger jedoch 
    bedient man sich privater Adressbroker und "anderer zweifelhafter Quellen", 
    wie Thilo Weichert weiß. Selbst für Urlaubsorte werden unter Missachtung des 
    Steuergeheimnisses Listenauskünfte angefordert, um potenzielle Radios im 
    Ferienhaus erfassen zu können. Zusammen mit anderen 
    personenbezogenen Daten setzt sich so Stück für Stück ein individuelles Puzzle 
    zusammen. Die entstehende "Volksdatei" (Der Spiegel) aus 37 Millionen 
    Teilnehmerkonten gleicht einem bundesweiten Melderegister. Das 
    Verhältnismäßigkeitsgebot der Verfassung sei mit der fahndungsartigen 
    Ermittlung von Personendaten klar verletzt, sagen die 
    Datenschutzbeauftragten der Länder. Rechtlich stützt sich die GEZ 
    absurderweise auf das Medienprivileg der Pressefreiheit. Das "freie Sammeln 
    von Daten" hat selbstverständlich nichts mit den "Recherche-Methoden" der 
    GEZ zu tun. 
     
    Mit einem Bein im Gefängnis 
     
    Auch die Gebührenfahnder der GEZ werden nicht selten als Beamte im 
    Polizeidienst wahrgenommen. Von der GEZ "Rundfunkgebühren-Beauftragte" 
    genannt, sind sie selbständige Unternehmer, die von Prämien leben müssen. So 
    entwickelt mancher Beauftragter Bienenfleiß, um mehr Geld in der eigenen 
    Tasche zu haben. Die Kreativität ist grenzenlos: nicht selten wird das 
    Märchen der GEZ-Peilwagen erzählt, die durch die dicksten Wände jedes 
    Rundfunkgerät orten könnten. Oft wird so an der Tür der Eindruck erweckt, 
    die unwissenden Fernseh-Besitzer befänden sich mit einem Bein im Gefängnis. 
    Das geht auf Kosten der Seriosität und schließlich zu Lasten des Images der 
    Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten. Dabei gilt das 
    Unverletzbarkeitsgebot der Wohnung: kein Fahnder darf sich Zugang zur 
    Wohnung verschaffen. GEZ-Beauftragte sind wie Eisenbahnschaffner, die Fahrkarten kontrollieren sollen, denen aber 
    niemand ein Ticket zeigen muß, 
    so die SZ. Es bleibt die Drohkulisse. 
     
    Ziel der Gebührenfahnder sind laut GEZ "die bisher nicht bei der GEZ 
    gemeldeten Haushalte". Doch auch die Angemeldeten können sich nicht sicher 
    vor Belästigung fühlen. Zwar sei die "überwiegende Mehrheit" der Bevölkerung 
    längst in Köln-Bocklemünd registriert, doch gerade in sozial schwächeren 
    Gegenden gebe es noch enorme Möglichkeiten, "das Teilnehmerpotenzial 
    auszuschöpfen", wie die GEZ den erfolgreichen Mahndurchlauf mit 
    "Informationsschreiben" nennt. In jeder Runde wird der Ton ruppiger - am 
    Ende gar mit empfindlichen Geldstrafen gedroht. Funktioniert das Auftreten 
    als Vertreter der Staatsgewalt nicht, handelt die GEZ wie ein 
    Privatunternehmen. Die Daten der Säumigen werden an private Inkassobüros 
    weitergegeben.
    
    
    
    Die Frage, woher die GEZ das Recht nimmt, auch 
    "Rundfunkteilnehmerinnen und Rundfunkteilnehmer aufzusuchen, die bereits bei 
    der GEZ angemeldet sind", bleibt auch hier ungeklärt.
    
    
     
     
    Für ein Rundfunkgerät müssen 
    fünf Euro und 32 Cent, für ein Fernsehgerät 16 
    Euro und 15 Cent im Monat bezahlt werden. Besitzt man beides, muss nur das 
    Fernsehgerät gezahlt werden.  Wer sich von den Gebühren befreien will, muss den Weg 
    zum Sozialamt gehen - ein Weg, den viele zurecht scheuen. Denn auch hier 
    werden eine Vielzahl von Daten abgefragt. Um die monatliche Gebühr zu 
    vermeiden, müssen laut Befreiungsverordnung Angaben zu
    
    
    Telefon- und Handygebühren, 
    Heiz- und Stromkosten, Kabel- und Internetrechnungen, 
    PKW-Unterhaltskosten, natürlich alles mit Belegen 
    unterfüttert, gemacht werden. 
    Und: 
    "Rundfunkgebühren sind unabhängig vom Sehverhalten zu entrichten". Selbst 
    wenn ein Fernseher verpackt im Keller steht, wird er rechtlich gesehen "zum Rundfunkempfang 
    bereitgehalten" und ist damit gebührenpflichtig. 
     
    Die GEZ macht Stimmung - gegen sich selbst 
     
    Und die GEZ versteht es trefflich, ihr miserables Bild in der Öffentlichkeit 
    durch gezielte Aktionen konsequent auszubauen. Besonderer Bedeutung kommt 
    dabei der Kinowerbung zu. Ein Spot kommt ganz ohne Bilder aus: Jingle Bells 
    ertönt, dann Schritte, die sich nähern. Jemand klingelt an einer 
    Wohnungstür. Text:
    
    
     "Weihnachten steht vor der Tür. 
    Wir auch." 
    Damit ist der GEZ erneut gelungen, das "Stasi-Image" (Frankfurter Rundschau) 
    der Gebührenfahnder treffsicher darzustellen. Auch pseudo-rassistische 
    Aufhorcher wie das innovative Wortspiel "Ich seh' schwarz" (gesprochen von 
    einem Weißen) - Antwort: "ich weiß" (gesprochen von einem Schwarzen), sind 
    sicherlich nicht hilfreich. Abschluss eines jeden Spots bildet ein weiterer 
    Treffer ins Schwarze: "Schon GEZahlt"? Neuerdings ist diese Version 
    entschärft worden. "Schon GEZahlt. Danke." Danke, GEZ. 
     
    "Wir machen auch Hausbesuche" 
     
    
    
    
    Auch die Website gibt sich rätselhaft. So hat man zunächst zwischen den wenig 
    aussagekräftigen 
    
    
     Rubriken "eingezahlt", "umgezogen", "ungezwungen" und 
    "ungezogen" (die in der
    
    
     Sitemap 
    übrigens schlicht wiederholt werden) zu wählen. Allen Seiten ist der strenge 
    Tonfall gemein, insbesondere in der Rubrik "ungezogen" - man ahnt es schon - 
    muss der potenzielle Schwarzseher sich einiges gefallen lassen. Es folgt, 
    angekündigt mit einem wenig kameradschaftlichen "Willst Du wissen, was 
    Schwarzsehen bedeutet?" eine Luftnummer: eine Flash-Animation, in der 
    sukzessive flackernde Fernsehbildchen im Briefmarkenformat verschwinden. 
    Ratlosigkeit. 
     
    Ein Programmpunkt besonderer Art ist auch der dezent platzierte Link "Wir 
    machen auch Hausbesuche", hinter dem die GEZ vor dem Beginn der "GEZ Wochen" 
    warnt. Dahinter: die üblichen Drohungen mit Hausbesuchen penetranter 
    Beauftragter.  
     
    Das Technologie-Problem 
     
    
    
    Technologiebedingt sind auch Internet-Computer und UMTS-Handys in der Lage, 
    Rundfunkangebote zu empfangen. Somit stößt die GEZ an ihre Grenzen. Der 
    gigantische administrative Aufwand, der bereits jetzt getrieben wird, würde 
    sich potenzieren. Somit ist bereits im Jahr 1999 von der CDU gefordert 
    worden, eine Pauschalgebühr einzurichten. Die "Beweislast" wäre somit 
    umgekehrt. Anstatt jeden Bürger zu verdächtigen, aufgrund von Unwegbarkeiten 
    im Datensumpf auch gern aus Versehen minderjährige Kinder oder auch 
    
     "sehr 
    geehrte" Haustiere, müssten nun alle zahlen. 
     
    Die bisherige 
    Gebühr könne dabei "um die Hälfte reduziert werden", weil teure Mahnwellen, 
    Fernsehspots, Websites und abstruse und teure Image-Events der GEZ mit Tanz- 
    und Hiphop-Einlagen von Tanztrainer Detlef "D!" Soost vermieden werden 
    können, die die GEZ im vergangenen Jahr veranstaltete. Auch hier blieb sich 
    die GEZ im Tonfall übrigens treu: 
     "Antanzen 
    zum Vortanzen." 
    2005 soll auf Vorschlag der 
    Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs die Gebühr für die 
    öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten um 1,09 Euro auf 17,24 Euro
    im Monat steigen.  
     
    Bleibt offenbar nur der Humor: Das Satiremagazin "Titanic" verloste unter 
    allen Lesern 50 Euro, die als Begründung für ihre GEZ-Kündigung angaben:
    
     "Johannes 
    B. Kerner ist als Moderator überbezahlt."  
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    AUSGABE 37 
    SCHWERPUNKT DAS ÖFFENTLICHE PRIVATE 
     
     
      
     
    
    STARTSEITE 
     
    
    EDITORIAL VON BJÖRN 
    BRÜCKERHOFF 
    INTERVIEW MIT JENS O. 
    BRELLE 
    MOMA IN BERLIN 
    DIE KULISSENSCHIEBER 
    
    FÜNF FRAGEN - ZEHN 
    ANTWORTEN 
    DIE BEWEGTE NATION 
    DARF DIE KUNST ALLES? 
    MAMA IST DOCH DIE BESTE 
    DIE EWIGE WIEDERHOLUNG 
    HYBRIDFORMATE SIND TRUMPF 
    RÜCKSICHT BEIM TELEFONIEREN 
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