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    Elite: Begriff zwischen  
    Sprachexil und Headline 
     
    
    
     
    Text:
    
    
    Dirk Kasten 
     Bild: 
    Photocase.de 
    
    
     
    
    Paradigmenwechsel? 
    Die Diskussion über Spitzen-Unis hat es neu geschürt, das öffentliche 
    Interesse an den gesellschaftlich Herausragenden. Ist der Begriff Elite nach 
    einer knapp 60jährigen Verbannung aus dem deutschen Sprachraum nun wieder 
    salonfähig? Und wie tragen die Medien dazu bei, dass 
    sich dieser Wechsel vollzieht? Die Gegenwart sprach mit den 
    Medienwissenschaftlerinnen
    
     Beate Schneider und 
    
     Anne-Katrin Arnold vom
    
     Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung in Hannover.  
     
    Die Gegenwart: Frau Professor Schneider, warum 
    beschäftigen sie sich genau jetzt mit der Eliteforschung? 
     
    Beate 
    Schneider: Es ist äußerst merkwürdig, dass ein Begriff in der 
    oberflächlichen Alltags- und  Umweltbeobachtung einen solchen Wandel 
    erfährt. Der Begriff „Elite“ wurde historisch bedingt in Deutschland lange 
    Zeit sehr kritisch gesehen, gar gemieden. Elitär war ein Schimpfwort. Heute 
    fällt auf, dass der Begriff einerseits gesellschaftlich akzeptiert wird und 
    die Auseinandersetzung mit der Thematik der Elitenbildung auf der anderen 
    Seite fast schon erwünscht scheint. Die Diskussion um Elite-Universitäten 
    ist ein schönes Beispiel dafür. 
     
    Die Gegenwart: Wie kam es ihrer Meinung nach zu der starken Verbreitung des 
    Elitebegriffs in diesem Diskurs?  
     
    Anne-Katrin 
    Arnold: Ich glaube nicht, dass die Politik den Begriff zuerst eingebracht 
    hat. Politiker agieren sehr analytisch und populistisch. Sie nehmen 
    polarisierende Begriffe erst auf, wenn sie medientauglich sind und in der 
    Öffentlichkeit zunehmend positiv besetzt werden. In diesem Zusammenhang 
    haben die Medien den Elitebegriff selbst eingebracht und ihn letztlich 
    populär und gesellschaftstauglich gemacht. Erst danach hat auch die Politik 
    von ihm Gebrauch gemacht. Das ist ein recht typisches Vorgehen. 
     
    Die Gegenwart: Liegt der Grund, warum sie sich aus 
    kommunikationswissenschaftlicher Perspektive mit der Thematik befassen, dann 
    also im Einfluss der Medien?  
     
    Schneider: 
    Elitenforschung hat bislang fast ausschließlich aus politischer oder 
    soziologischer Sicht stattgefunden. Wann immer jedoch ein Paradigmenwechsel 
    dieser Art auftritt, ist davon auszugehen, dass er von den Medien begleitet 
    wird. Oft sind sie es, die einen Anstoß leisten oder im Gegensatz dazu eine 
    Blockade darstellen. Es ist also eine logische Folge, dass ein solcher 
    Wandel immer auch einen Widerhall in den Medien mit sich zieht. Dem wollten 
    wir hier einmal nachgehen. Zudem ist dieser Aspekt bisher noch nicht 
    untersucht und unser Institut bekannt für Minderheitenforschung. Genau wie 
    auch die Medien haben wir uns zuletzt verstärkt mit benachteiligten Gruppen 
    beschäftigt und die herausragenden etwas außer Acht gelassen. Das soll sich 
    hiermit umkehren. 
     
    Die Gegenwart: Im Kontext der Föderalismus-Debatte fiel auch erneut der 
    Ausdruck „Brain Drain“. Beeinflussen die Medien die Wissenschaftsdebatte, 
    wenn sie tagtäglich stundenlang über Popstars berichten, Wissenschaftlern 
    jedoch wenig Aufmerksamkeit bieten?  
     
    Schneider: 
    Nun, das sind zwei Dinge, die sich schwer vergleichen lassen. Popstars sind 
    Stars. Sie wären ohne Massenmedien gar nicht denkbar; wenngleich auch immer 
    eine gewisse Leistung dazu gehört. Hier findet eine Art Symbiose statt, weil 
    beide aufeinander angewiesen sind. Bei der Wissenschaft ist das überhaupt 
    nicht so. Wissenschaft ist ein System, das Leistung in einem 
    fachgruppenspezifischen Diskurs erbringen kann. Sicherlich wäre auch hierfür 
    eine höhere Verbreitung durch die Medien wünschenswert, wissenschaftliche 
    Leistung ist jedoch komplex und schwer vermittelbar. Wenn man den Gedanken 
    rein normativ weiterspinnt, könnte man sich fragen, ob die Medien aus 
    gesellschaftlich wichtiger Vorbildfunktion mehr solcher Inhalte 
    transportieren müssten, aber sie sind wie gesagt nur schwer zu vermitteln. 
     
    Die Gegenwart: Eine gängige Elite-Definition beschreibt Elite als 
    „hervorgehobene Schicht, deren Auslese aufgrund besonderer Fähigkeiten, 
    Leistungen oder Herkunft erfolgt“. Beeinflussen die Medien diese Auswahl? 
     
    Schneider: 
    Das wissen wir nicht. Aber wir nähern uns dieser Problematik aus der anderen 
    Richtung. Das Hauptinteresse der Untersuchung liegt darauf, 
    herauszubekommen, wie die Medien selbst ihre Eliten definieren. Wenn Medien 
    von Eliten sprechen, was meinen sie dann wirklich damit? Sie haben es ja 
    selbst gesagt, es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich aus der Masse 
    herauszuheben. In den Medien steht dieser Status immer in Verbindung zu 
    einer Rechtfertigung durch Prominenz oder durch besondere Leistung. In 
    beiden Kontexten treten unterschiedliche Konnotationen auf. 
     
    Die Gegenwart: Sie sind jetzt  in der Mitte der Untersuchung. Haben 
    sie 
    trotzdem bereits ein Beispiel dafür? 
     
    Schneider: 
    Die Medien haben den Begriff Elite in den letzten Jahren ohne Probleme im 
    Zusammenhang mit Sportlern gebraucht. Im Sport war das Leistungsprinzip 
    immer anerkannt. Es gab so etwas wie eine vorgegebene Selektion, die sich 
    allein durch Leistung vollzieht und somit gesellschaftlich akzeptiert ist. 
    Wenn man diese öffentlich anerkannten Bereiche verlässt, ergibt sich eine 
    andere Voraussetzung: Die Herausgehobenen widersprechen dann dem 
    demokratischen Prinzip. Die Frage ist nun, was die Medien aus den 
    verschiedenen Zusammenhängen machen und ob sich ihr Verhalten sichtlich 
    verändert hat. 
     
    Die Gegenwart: Wenn man nun davon ausgeht, dass die Medien den Elitebegriff 
    selbst erst alltagstauglich gemacht haben, nutzen sie ihn dann auch für 
    sich? Wenn man die Bemühungen einiger Medienunternehmen im Anzeigengeschäft 
    beobachtet, scheint sich auch hier etwas zu ändern. 
     
    Schneider: 
    Offensichtlich hat sich der Wertewandel auf den Auftritt der Medienhäuser 
    ausgewirkt. Die Zeit zum Beispiel wirbt heutzutage ohne weiteres mit ihrer 
    elitären Leserschaft. Die FAZ beschränkt sich noch auf die klugen Köpfe. Das 
    öffentliche Bekenntnis seitens der Medien existiert: Man darf Elite sein.
     
     
    Arnold: Das Anzeigengeschäft bildet so gesehen  einen  Abschluss dessen, was 
    durch die Verwendung in der Politik angedeutet wurde: Der Elitebegriff ist 
    wieder gesellschaftsfähig. Hätte dieser Wertewandel nicht stattgefunden, 
    wäre Die Zeit sicher nicht auf die Idee gekommen, mit genau dieser 
    Assoziation zu werben. 
     
    Schneider: 
    Die Frage ist nun, wie war die Attribuierung früher? 
     
    Die Gegenwart: Haben sie schon eine Vorstellung davon?  
     
    Schneider: 
    Mitte der 80er-Jahre hat der Präsident unserer Hochschule, die eine 
    künstlerische Hochschule ist, ganz spontan ein Bekenntnis zur Elite 
    abgegeben. Was ja im Bereich der Kunst genauso wie im Sport ein Bekenntnis 
    zur Leistung ist. Er ist dafür „gesteinigt“ worden und dass, obwohl doch 
    alle wissen, dass man nur Künstler sein kann, wenn man Spitzenleistungen 
    bringt. Wir stellen uns nun also die Frage, ab wann dieser Wandel in den 
    Medien stattgefunden hat und sind gespannt, was dabei herauskommt. 
     
     
    Die Gegenwart: Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen ihnen weiterhin 
    eine erfolgreiche Studie.   | 
    
    AUSGABE 43 
    DIE ALLTÄGLICHE ELITE 
     
     
      
     
    
    STARTSEITE 
     
    EDITORIAL VON BJÖRN 
    BRÜCKERHOFF 
    IM SCHLARAFFENLAND DER ÄSTHETIK 
    
    WIE 
    PINGUINE AUF DEM LAND 
    PULITZERS ELITE 
    MOHNS ERBEN IM GEISTE 
    DIE ELITE FÖRDERT IHRE KINDER 
    BILDUNGSEINRICHTUNGEN AUFMISCHEN 
    
    ZWISCHEN SPRACHEXIL UND HEADLINE 
    
    
    WO DER STUDENT ZUR ELITE 
    GEHÖRT  
    ELITE AUF BAYERISCH 
    DAS GESPENST DER ELITE 
    
     
    
    ALLE AUSGABEN IM ARCHIV 
    DIE GEGENWART IN STICHWORTEN 
    ÜBER DAS MAGAZIN 
    IMPRESSUM 
     
    
    
      
    
    
     
    
    
    
    
    
    
     
    
    
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