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    Die heimliche Zielgruppe 
    
     
    
    
     
    
    
    
     
    
    
    Text:
    
    
    Petra Bäumer    
    Bild: Photocase.de 
    
    
     
    
    „Überhört und übersehen“  –
    
    unter immer neuen Titeln drängt 
    sich das Thema Medienangebote für Ältere in die Programmhefte vieler 
    Tagungen und Kongresse. Erst in diesem Jahr fragte man auf den Tutzinger 
    Medientagen, wo die Alten im TV denn blieben. Der 
    Status Quo am Markt ist schwer zu überschauen, denn ein Etikett „seniorentauglich“ 
    wird man vergeblich suchen müssen.  
     
    50 plus –  dieser Begriff zumindest ist bestimmend im Portfolio der 
    Zeitschrift Lenz. Vor fünf Jahren als eines der ersten Lifestylemagazine für 
    die Zielgruppe bis Ende 60 gelauncht, ist Lenz mit jährlichen Zuwachsraten 
    von 20 Prozent heute optimistischer Marktführer. Ganz 
    gleich unter welchem Label; „50plus“, „Best Ager“, oder „Silver Surfers“ 
    auch die Konkurrenz hat den Trend der nächsten, der älteren Generation nicht 
    verschlafen. Vom eher schlichten Senioren-Ratgeber 
    der Apotheke oder Krankenkasse bis hin zur  graumelierten Hochglanz-Variante 
    „Men’s Health Best Life“ reicht das Spektrum der bis 
    zu 120 spezialisierten Titel in Deutschland. Neben immer mehr themenbreiten 
    Lifestylemagazinen, zeigt sich eine zunehmende Altersorientierung am 
    deutlichsten bei den Tageszeitungen. „Vor fünf Jahren gab es hier kaum 
    Beilagen für Pensionäre“, so Andreas Reidl, Vorsitzender der deutschen 
    Seniorenpresse Arbeitsgemeinschaft e.V. 
     
    Dass der wachsende Markt jedoch nicht so einfach zu befriedigen sei, davon 
    spricht Lenz-Chefredakteur Jürgen Sinn: "Viele neue 
    Anbieter kommen hinzu, mit dem Gedanken, schnell ein ‘Magazinchen’ zu 
    machen. Die bloße Adaption von rasch zusammengebauten vermeintlichen 
    50 plus-Themen funktioniert bei dieser anspruchsvollen Zielgruppe nicht." 
     Denn zunächst kennzeichnet der verführerische Begriff „50plus“ keineswegs 
    eine homogene Gemeinschaft. Eine Altersspanne von 50 bis 100 Jahren kann 
    nicht ohne weiteres unter eine Dachmarke gezwungen werden. Es gilt, die 
    Bedürfnisse verschiedenster Lebensphasen zu begreifen. Zudem steigt mit dem 
    Alter auch der Anspruch. "Die Lebenserfahrung macht die Menschen kritischer. 
    Sie lassen sich nicht so leicht locken. Es geht um Ehrlichkeit, gutes 
    Handwerk und gute Informationen. Fehler werden uns, 
    zu Recht, hart um die Ohren gehauen.", weiß Sinn aus Erfahrung. Im Gegenzug 
    aber wird dieser Einsatz mit einer besonders treuen Leserschaft belohnt. 
    Auch diese Tatsache prädestiniert Ältere, neben dem Faktum des finanziellen 
    Potenzials, als attraktive Zielgruppe im schnelllebigen und überbevölkerten 
    deutschen Zeitschriftenmarkt. Bei den Verlagen sind Männer und Frauen ab 60 
    trotzdem nicht die anvisierten Prestige-Leser. Beliebt ist bei der 
    Altersgruppe nach wie vor die Yellow Press rund um Königshöfe und 
    Schlagerstars wie das „Goldene Blatt“ oder „Neue Post“. Darüber hinaus 
    bleibt die Leserstruktur anderer Publikationen undurchsichtig. "Viele 
    Verlage bekennen sich nicht zur Zielgruppe, obwohl deren Produkte 
    überwiegend von älteren Lesern gekauft werden.", sagt Sinn. 
     
    Die Quoten-Generation 
     
    Auf den ersten Blick scheint klar, wer bei der Sendung im SWR „Was die 
    Großmutter noch wusste“, angesprochen werden soll. Zudem bringt es das 
    Moderatorenteam 
     Werner 
    O. Feißt und 
     Kathrin 
    Rüegg (mit 
    eigener Website!), immerhin auf ein Alter von 76 und 
    75 Jahren. Seit nunmehr 20 Jahren verraten sie dem geneigten Zuschauer 
    Rezepte, Tipps und Kniffe aus Omas Zeiten. Kult sei die Sendung 
    
    – 
    keineswegs nur für Ältere. Nicht nur hier zögert man in der 
    Programmbeschreibung, sich auf ein älteres Publikum festzulegen. Auch bei 
    der Rasterfahndung in den Programmzeitungen lässt sich bei keiner 
    TV-Sendung, Jürgen Flieges Nachmittagstalk vielleicht ausgenommen, auch nur 
    ein imaginäres Label „Freigegeben ab 60 Jahren“ finden. Ein Blick in die 
    Studios des Öffentlich-Rechtlichen, des Ersten, Zweiten und der Dritten 
    allerdings verrät: Hier kommen sie vor. Die 
    
     Carolin 
    Reibers, die 
     Dieter 
    Thomas Hecks 
    oder 
     Professor 
    Brinkmanns 
    nebst Schwarzwaldklinik. Und hier schauen sie auch zu. Der durchschnittliche 
    ZDF-Zuschauer bringt es auf 59 Jahre, bei der ARD ist man ein knappes Jahr 
    jünger, so die Statistik. Manchmal ist der Durchschnittszuschauer selbst 
    Akteur. Beispielsweise wenn der 72-jährige Walter Schowald  mit  Frau 
    Margarete im MDR Möbel aufbaut. Das ganze im Rahmen der 
    sechsteiligen 
    Dokumentation „Da fängt das Leben an 
    – 
    Die Rentner-WG“. Das Konzept, das äußerst schwach an Big Brother erinnert, 
    wirkt oberflächlich betrachtet nicht unbedingt seniorenaffin. 
    An den vielen Zuschauerreaktionen und einer Einschaltquote von
    elf Prozent im Sendegebiet aber lässt sich ablesen, 
    dass hier offenbar ein Nerv getroffen wurde. Besonders bei den Zuschauern ab 
    65 Jahren – hier konnte der stolze Anteil von bis zu 18,7 Prozent erreicht 
    werden. „Zwar war es nicht unser erstes Ziel, besonders Ältere 
    anzusprechen“, so Peter Dreckmann, MDR-Redaktionsleiter für Kultur, 
    Wissenschaft und Reportage. „Das Thema alternative Wohnformen im Alter ist 
    schließlich altersübergreifend spannend“. 
     
    Kännchen Kaffee oder Latte Macchiato 
     
    Für alle Generationen attraktiv, so sehen sich die meisten Sender und 
    Sendungen mit einem älteren Publikum. Auch die Radiowelle 
    
     WDR 
    4 
    ("schönes 
    bleibt"). Musik, 
    Musik und nochmals Musik, vor allem deutschen Schlager bietet der Sender 
    seinen Hörern von 15 bis 70 Jahren. Am frühen Samstagmorgen jedoch ist 
    spätestens klar, dass weniger 15-Jährige lauschen, wenn die Sendung mit dem 
    Titel „In unserem Alter“ läuft. Im sonst kleinen Wortprogramm verfolgt das 
    wöchentliche Format einen klaren Zuschnitt auf den Hörer in der  zweiten und 
    dritten Lebenshälfte. Und sie bietet eine breite, informative und 
    servicenahe Themenpalette. Was tun, wenn rund herum Coffee-to-go Tempel aus 
    dem Boden schießen? Wenn der Kaffee plötzlich Latte Macchiato heißt? Wie 
    einen Neuanfang im Alter wagen? Chaos Familienfeier oder der Umgang mit 
    Demenzerkrankungen 
    – 
    soziale Fragen stehen im Mittelpunkt. 
     
    Das Alter der Autoren spielt dabei keine Rolle. Meistens jedenfalls. Das 
    ändert sich erst im Programm der Nische. Hier zeigt man keine falsche Scheu, 
    wenn es um deutliche Namen und klare Zielgruppenbeschreibung geht. Vom 
    Senioren-TV, Herbstradio bis zu Seniorama ist alles vertreten. Der Kölner 
    Altenheimsender „TV Silberdistel“ hat als ältestes Redaktionsteam sogar eine 
    kleine nationale Berühmtheit erlangt. Aber auch in Neuwied, Essen, Bonn, 
    Trier und anderswo gibt es den Bürgerfunk, den Offenen Kanal, die VHS. Fast 
    keine Sparte ist so gut abgedeckt wie die lokalen Programme und 
    Publikationen von Senioren für Senioren. Und das hat seinen Grund. Hier gibt 
    es die Möglichkeit, eigene Themen zu finden und 
    persönlich aufzubereiten. Das gilt für einen Beitrag im Bonner Herbstradio  
    zum Thema „Allein sein“, persönlichen und positiv umgesetzt von einer 
    73-Jährigen. Genauso gilt es 
    in TV-Münsters 
    „ Seniorama“ 
    für die regionalen Reisetipps vom Oldtimertreffen oder 
    Bad Rothenfeldes
    Parkanlagen. 
    Neben der sozialen Komponente für die engagierten Senioren, wird an diesen 
    Programmen etwas anderes deutlich: Ein Stück weit geht es darum, auch die 
    eigene Lebenswelt und Altersgruppe wieder zu erkennen. Das weiß auch 
    Lenz-Macher Sinn: "Wir setzen auf Testimonials, auf echte Menschen in 
    unseren Beiträgen. Es sind die normalen Leute, mit denen sich unsere 
    Zielgruppe identifiziert, der Professor ebenso wie die Hausfrau." 
    Darüber hinaus allerdings muss konstatiert werden, dass es ebenso erfolglos 
    bleiben wird, einen Kriterienkatalog der 
    Zielgruppenansprache festzulegen, wie die  gesamte Gruppe 50plus auf nur 
    einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Denn auch 60-Jährige fahren Harley, 
    während andere lieber bei Carolin Reiber bleiben. 
     
    Warum nicht „Großeltern“? 
     
    Noch  verschwimmen und verstecken sich zeitweilig die „alten Themen“ im 
    Medienmarkt. Doch es gibt sie. Wie viele und wo überall sie sich verbergen, 
    das mag bald der Publizistik Senioren Preis, dotiert mir 2.500 Euro, zeigen. 
    Nach nicht einmal einer Woche der laufenden Ausschreibung haben bereits über 
    50 verschiedene Interessierte jeder Couleur die Bewerbungsunterlagen 
    angefordert. Zur Freude der Organisatoren des 50plus Webportals 
    feierabend.de. Ein Ende ist noch nicht erreicht, ein Anfang gemacht. „Es 
    gibt Nischen, es gibt auch Bedarf auf diesen Markt. Viele Themen, die 
    gefunden werden wollen.“ So Reidl. „Es gibt ein Magazin „Eltern“. Warum gibt 
    es keine Zeitschrift ,Großeltern'?“ 
    Nur das Selbstbewusstsein zum Bekenntnis zur Zielgruppe  ist noch zögerlich. 
    Eine mögliche Erklärung dafür liefert Jürgen Sinn so ganz nebenbei. 
    "Senioren - das sind im Blick der Älteren immer jene, die 
    zehn Jahre älter sind. Das sieht der 
    50-Jährige so 
     – 
    genauso wie der 70-Jährige."  
     
    
     
    
    
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    AUSGABE 44 
    DIE NEUEN JUNGEN ALTEN 
     
     
      
     
    
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    EDITORIAL VON BJÖRN 
    BRÜCKERHOFF 
    INTERVIEW MIT PROF. 
    PETER WIPPERMANN 
    
    DIE NEUEN 
    ALTEN 
    ZWEITER FRÜHLING.COM 
    NEUE ZEITRECHNUNG 
    DIE HEIMLICHE ZIELGRUPPE 
    
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    FARBE HAT DAS ALTER? 
    DÜRFEN SIE SCHON/MÜSSEN SIE 
    NOCH? 
    SEXY GREISE UND WEISE DAMEN 
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