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    KOMMENTAR 
    Das IFG steht im Koalitionsvertrag 
     
    TEXT:  
    
     HELMUT LORSCHEID 
    BILD: PHOTOCASE.DE 
     
    
    
     
    "Das IFG 
    steht im Koalitionsvertrag. Die Bundesregierung will es in dieser
    Legislaturperiode umsetzen“ schrieb Dirk Inger 
    im April 2003 und  beantwortet so  für seinen Dienstherren Otto Schily 
    die Frage, wann endlich auch in Deutschland ein 
    Informationsfreiheitsgesetz dem Bundestag vorgelegt wird. 
     
    Wann nun endlich dieses Gesetz kommt, bleibt somit offen. Denn im 
    Koalitionsvertrag stand dieses Versprechen auch schon 1998. Es gab Entwürfe, 
    sogar  verbunden mit einer öffentlichen Diskussionsplattform auf der 
    Homepage des Bundesinnenministeriums. Es gab auch 
    Entwürfe der SPD und Grünen im Bundestag – doch für ein Gesetz reichte es 
    nicht.  Andere Gesetze – polizeistaatliche Überregionen auf  den 11. 
    September 2001 gingen flinker von der Hand. Am 1. 
    März 2002 erklärte  Gudrun Dirks, Bundesministerium des Innern,
    zum Stand des Informationsfreiheitsgesetzes: „Das 
    Bundesministerium des Innern hat einen Entwurf für ein allgemeines
    Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt. Dieser Entwurf befindet sich
    gegenwärtig in der Abstimmung unter den Ressorts der Bundesregierung. 
    Einige wenige Punkte bedürfen noch einer 
    abschließenden Erörterung. Sobald diese beendet ist, 
    wird die Vorlage an das Kabinett und sodann die Einbringung in
    den Deutschen Bundestag folgen. Der genaue 
    Zeitpunkt hierfür lässt sich gegenwärtig noch nicht zuverlässig
    abschätzen. Ich erwarte jedoch die Verabschiedung des
    Informationsfreiheitsgesetzes in der laufenden Legislaturperiode.“ 
     
    Im Hinblick auf diesen Artikel nach dem aktuellen Stand gefragt, kann Gudrun 
    Dirks auch am 23. Juli 2003  “leider  in dieser Sache 
    nichts Neues mitteilen. Die Ressortabstimmung ist 
    noch nicht abgeschlossen; in einigen Punkten bestehen
    nach wie vor Meinungsunterschiede. Diese betreffen vor 
    allem Inhalt und Reichweite der Ausnahmen vom freien 
    Informationszugang. Der weitere Zeitplan für das 
    Vorhaben ist daher nach wie vor nicht vorhersehbar.“ 
    Ähnlich formuliert, aber inhaltlich gleich werden die Antworten auch im März 
    2004 oder im Juli 2004 ausfallen, wenn die 
    Bundesbürgerinnen und die sie informierenden Journalisten sich weiter wie 
    bisher für ihr Recht auf Akteneinsicht interessieren und engagieren. 
     
    Lediglich spezialisierte Organisationen, wie etwa das „Netzwerk Recherche“  
    und TIO
    melden sich zu Wort. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit 
    droht eines der Reformprojekte der Bundesregierung im Streit zwischen den 
    Ressorts zu versanden: Die Einführung eines allgemeinen 
    Akteneinsichtsrechts, das jedem Bürger den Zugang zu Unterlagen der 
    Verwaltung ermöglichen würde, war schon in der ersten Legislaturperiode von 
    Rot-Grün geplant. Auch im neuen Koalitionsvertrag ist ein 
    „Informationsfreiheitsgesetz“ (IFG) verankert, aber das Vorhaben kommt nur 
    stockend voran. Offenbar scheuen Teile der Behörden den kritischen Blick der 
    Öffentlichkeit und halten lieber an Geheimniskrämerei fest. Das Netzwerk 
    Recherche fordert daher vom federführenden Innenministerium, noch vor der 
    Sommerpause einen neuen Entwurf vorzulegen, mit dem die außerhalb 
    Deutschlands längst selbstverständliche Behördentransparenz rechtlich 
    verankert werden kann.  
     
    Ein Informationsfreiheitsgesetz würde die obrigkeitsstaatliche Tradition des 
    deutschen „Amtsgeheimnisses“ endlich abschaffen: Statt grundsätzlich alle 
    Behördenvorgänge als intern zu behandeln und Bürgern wie Journalisten nur in 
    begründeten Ausnahmenfällen Informationen zugänglich zu machen, geht das 
    Prinzip der Informationsfreiheit davon aus, dass jeder Antragsteller 
    grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht hat, außer wenn besonders definierte 
    Geheimhaltungsgründe dem entgegen stehen (z.B. Datenschutz oder Schutz von 
    Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen privater Firmen). Diese Umkehrung der 
    jetzigen Verhältnisse ist in anderen Ländern längst selbstverständlich: 
    Schweden macht seit 1766 gute Erfahrungen mit der Behördentransparenz, die 
    USA haben seit 1966 einen Freedom of Information Act und innerhalb der EU 
    sind Deutschland und Luxemburg die einzigen Länder, die noch an der alten 
    Geheimhaltungspraxis festhalten. Eine Angleichung an den internationalen 
    Standard ist daher überfällig.  
     
    Im Dezember 2000 hat das Innenministerium einen ersten Entwurf präsentiert, 
    der in wesentlichen Punkten bereits weit hinter die Erwartungen an eine 
    echte Reform zurückfiel: Es fehlte eine Frist für die Beantwortung von 
    Bürgeranfragen, die Kosten waren mit bis zu 500 Euro sehr hoch angesetzt, 
    und vor allem wurde der ursprüngliche Zweck, mehr Transparenz zu schaffen, 
    durch etliche Ausnahmeregelungen ausgehöhlt. Diese schlechte Vorlage ist 
    dann in der Ressortabstimmung weiter verwässert worden, weil vor allem das 
    Wirtschafts-, das Verteidigungs- und das Finanzministerium Bedenken 
    angemeldet haben. Auch im Kanzleramt mit dem ihm unterstellten 
    Bundesnachrichtendienst regte sich Widerstand gegen mehr Offenheit. 
    Letztlich scheiterte die Umsetzung in der alten Legislaturperiode am 
    Widerstand der Ministerialbürokratie. 
     
    Das Netzwerk Recherche fordert Innenminister Schily 
    auf, gegenüber Bedenkenträgern, die am „Amtsgeheimnis“ festhalten wollen, 
    diesmal hart zu bleiben und in der Ressortabstimmung einen mutigen neuen 
    Entwurf durchzusetzen. Konkret sollte der 
    Gesetzentwurf folgende Mindestanforderungen erfüllen: 
    Gültigkeit: Das Grundprinzip der 
    Aktenöffentlichkeit ist durchzuhalten, d.h. die Ausnahmeregelungen von der 
    Transparenzverpflichtung sollten sehr eng gefasst und klar sein. Eine 
    Ausklammerung ganzer Ressorts würde den Sinn des Gesetzes ad absurdum 
    führen. 
     
    Antwortfristen: Anträge auf Akteneinsicht oder Auskunft sollten umgehend 
    beantwortet werden. Nur bei einer zeitnahen Bearbeitung kann die 
    Öffentlichkeit auf aktuelle Planungsentscheidungen überhaupt noch reagieren. 
     
    Kosten: Auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen darf ein Bürgerrecht wie 
    die Akteneinsicht kein Instrument der Haushaltssanierung sein. Die bisher 
    diskutierte Höchstgebühr von 500 Euro darf daher nur in absoluten 
    Ausnahmefällen zum Tragen kommen, und es ist sicherzustellen, das 
    kooperationsunwillige Behörden sich nicht hinter hohen Gebührenforderungen 
    verschanzen können. Sofern die Antragsteller keine kommerziellen Interessen 
    verfolgen, sollte eine Gebührenbefreiung möglich sein. 
     
    Nutzung des Internet: Nach dem Vorbild des Electronic Freedom of Information 
    Act in den USA sollte die Verwaltung verpflichtet werden, nicht nur auf 
    Antrag Akteneinsicht zu gewähren, sondern in viel stärkerem Maße als bisher 
    von sich aus Informationen, die für die Öffentlichkeit interessant sein 
    können, über das Internet zugänglich zu machen (Vorbild: Electronic Reading 
    Rooms in den USA). Dies wäre gleichzeitig ein Schritt zu einer moderneren 
    und bürgerfreundlicheren Verwaltung.  
     
    Verständlichkeit: Ein Gesetz für mehr Transparenz darf selbst nicht 
    intransparent und juristisch verklausuliert daher kommen. Der Gesetzestext 
    muss klar und auch für Laien verständlich sein.  
     
    Werbung: Eine Stärkung der Bürgerrechte ohne Information der Öffentlichkeit 
    über die neuen Möglichkeiten würde ins Leere laufen. Die Einführung des IFG 
    muss daher von einer professionellen Werbekampagne begleitet werden, die 
    anhand einfacher Beispiele den Zweck des IFG, das Antragsverfahren und den 
    Nutzen für die Bürger erklärt.  
     
    Evaluierung: Die Nutzung des Informationszugangs und die Zufriedenheit auf 
    Seiten der Antragsteller wie der Verwaltung sollten in regelmäßigen 
    Abständen von dem noch zu ernennenden Bundesbeauftragten für Datenschutz und 
    Informationsfreiheit erhoben werden, um auf der Basis dieser Erfahrungen 
    evtl. Verbesserungen am Gesetz vornehmen zu können.  
    
    
     
    Die Erfahrungen in den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein 
    und Nordrhein-Westfalen, die bereits eigene Informationsfreiheitsgesetze 
    eingeführt haben, sind rundweg positiv und sollten bei der Ausarbeitung 
    eines Bundesgesetzes berücksichtigt werden: Nirgendwo ist es zu der mitunter 
    befürchteten „Überlastung der Ämter“ gekommen. Es hat sich gezeigt, dass 
    überwiegend sehr naheliegende Bürgeranfragen zu öffentlichen Planungen, vor 
    allem im Baubereich, gestellt wurden. Der Innenminister von NRW, Fritz 
    Behrens, zog daher nach einem Jahr das Fazit, „dass das Mehr an Demokratie 
    und Transparenz mit dem IFG günstig eingekauft ist“.  
     
    Innerhalb der SPD scheinen sich die positiven Erfahrungen in NRW leider noch 
    nicht herumgesprochen zu haben. So hat sich der neue Staatssekretär im 
    Innenministerium, Göttrik Wewer, sehr ablehnend zum IFG geäußert. Mit Sorge 
    beobachtet das Netzwerk Recherche, dass ausgerechnet Personen, die die 
    Reform eigentlich vorantreiben sollten, weiter an obrigkeitsstaatlichen 
    Traditionen festhalten wollen.  
     
    Wer erreichen will, dass die Bürger sich verantwortlicher an der Gestaltung 
    des Gemeinwesens beteiligen, darf ihnen die Möglichkeit der Information als 
    Grundvoraussetzung für Partizipation nicht vorenthalten. Auch die Korruption 
    kann durch mehr Transparenz wirkungsvoller bekämpft werden. Für Journalisten 
    verbindet sich mit der Einführung der Informationsfreiheit außerdem die 
    Hoffnung, dass in deutschen Amtsstuben eine Kulturveränderung hin zu einem 
    generellen Klima der Offenheit einsetzt. Die Verabschiedung eines 
    weitreichenden und bürgerfreundlichen Informationsfreiheitsgesetzes ist 
    deshalb überfällig. 
     
    Deutschland ist Schlusslicht in Sachen Akteneinsichtsrecht, längst
    haben die zuständigen EU-Gremien  ein 
    Bundes-informationsfreiheitsgesetz eingefordert. Ohne Reaktion  der 
    Bundesregierung. Dabei beweisen die Erfahrungen in  
    NRW, Schleswig-Holstein, Berlin und Brandenburg dass so ein 
    Informationsfreiheitsgesetz gar nicht weh tut. In jedem dieser Länder 
    bewiesen die Bürger Zurückhaltung und Augenmaß bei ihren Anträgen. Es gab 
    keinen Sturm auf die behördlichen Aktenschränke, die Mehrarbeit für die 
    zunächst verängstigte Beamtenschaft hielt sich  in Grenzen. 
     
    In den Behörden hat die bloße Möglichkeit, dass Frau Jedermann Einblick in 
    alle Verwaltungsvorgänge nehmen kann, zu einem Umdenken gesorgt, hin zu mehr 
    Bürgernähe.  
     
     
     
    
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