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    Baustellenbesuch zu Babel 
     
    
     
    
    
     
    Text: 
    
    
    
    Andreas Möllenkamp   Bild: 
    Photocase.com 
    
    
    
     
    
    Es wird viel 
    gebaut an Europas Kultur und Identität  
    – zumindest in der Theorie. 
    Spätestens seit dem mittleren Erdbeben des französischen „Non“ und dem 
    niederländischen „Nee“ zur EU-Verfassung wird vor allem im gemeinsamen 
    kulturellen Erbe nach tragfähigen Fundamenten gesucht. Die Architekten sind 
    zwar stolz über die „Einheit in der Vielfalt“, streiten sich allerdings noch 
    über den Bauplan. Bleibt die Frage: Ist europäische Kulturpolitik ein 
    Erfolgsmodell oder ein Babelscher Turmbau? 
     
    „Europa ist nicht nur 
    gleichbedeutend mit Märkten, sondern auch mit Werten und Kultur“, betonte 
    EU-Kommissions-Präsident Barroso auf der Berliner Konferenz 
     Europa eine 
    Seele geben. 
    „Auf der Werteskala sind kulturelle Werte höher einzustufen als ökonomische. 
    Wirtschaft brauchen wir, um zu leben  
    – Kultur macht unser Leben lebenswert!“  | 
    
    AUSGABE 47 
    WER IST EUROPA? 
     
     
      
     
    
    STARTSEITE 
     
    EDITORIAL VON BJÖRN 
    BRÜCKERHOFF 
    LOBEND ERWÄHNT: NEUE 
    GEGENWART 
    BAUSTELLENBESUCH ZU BABEL 
    ES WERDE EUROPA 
    NEGATIV IST POSITIV 
    WIE 
    EUROPÄISCH IST DAS DEUTSCHE KINO? 
    DIE JUNGE UNION 
    
    GRENZENLOS 
    SIND WERBEVERBOTE 
    DENKVERBOTE? 
    
    DIE EU IN ZAHLEN 
     
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    So ambitioniert viele Politiker auch von europäischer Kultur sprechen, so 
    arm bleibt europäische Kulturpolitik und deren Umsetzung oft in der Praxis. 
    Als rhetorisches Mittel funktioniert Kultur bei den Redenschreibern Europas 
    bereits sehr gut, aber selbst im Entwurf für die Verfassung für Europa kam 
    sie nicht weit über die Präambel hinaus. „Wir haben es mit einer 
    konterproduktiven Inflation des Diskurses zu tun. Wir pendeln zwischen den 
    Extremen des büro-kratischen 
    Exzesses der Planung  und des rhetorischen Exzesses der sentimentalen 
    Utopie hin und her. Die Intellektuellen bemühen sich, 
    pragma-tisch vorzugehen,  während die Politiker 
    immer lyrischer werden“ sagt Andrei Pleşu, Kunsthistoriker und Rektor des 
    New Europe College in Bukarest. Woran liegt das?  | 
    
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     Die EU bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen der Vorstellung eines 
    gemeinsamen kulturellen Erbes und einer bestehenden Vielfalt nationaler 
    Kulturen mit oft unterschiedlichen kulturpolitischen Konzepten. Den ersten 
    Impuls für kulturelle Maßnahmen auf europäischer Ebene überhaupt gab das 
    Europäische Kulturabkommen aus dem Jahre 1954. Die „Kultur für alle“ und das 
    „Bürgerrecht Kultur“ führten dann in der „Neuen Kulturpolitik“ der siebziger 
    Jahre zu einer erheblichen Ausweitung der kulturellen Aktivitäten und 
    spiegelten sich auch in mehreren Beschlüssen des Ministerrates wieder. Aber 
    erst der Vertrag von Maastricht und sein Artikel 151 räumten im Jahre 1992 
    der Kultur offiziell einen Platz bei der Verwirklichung des europäischen 
    Gedankens und eines „europäischen Kulturraums“ ein. Die Kompetenz der EU im 
    Bereich der Kultur beschränkt sich allerdings aufgrund des 
    Subsidiaritätsprinzips ausschließlich auf Maßnahmen, die auf regionaler oder 
    nationaler Ebene nicht geregelt werden können. Die bekanntesten Instrumente 
    sind dabei die Kulturhauptstädte Europas und das Programm 
    
    Kultur 2000. 
     
    In 
    Deutschland ist die Situation mit der verfassungsmäßig festgelegten 
    Kulturhoheit der Länder besonders komplex und führt zu dem Phänomen, dass 
    die Länder eigene Verbindungsbüros in Brüssel betreiben, um zu verhindern, 
    dass ihre Entscheidungsspielräume eingeschränkt werden. Sie plädieren daher 
    vor allem unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die strikte Einhaltung 
    des Subsidiaritätsprinzips. 
     
    Diese beschränkte Kompetenz der EU im Bereich der Kultur steht einem großen 
    Privatisierungs- und Liberalisierungsdruck durch internationale 
    Freihandelsabkommen gegenüber. Der Handel mit Kulturgütern ist heute ein 
    kapitalintensives globales Business, bei dem Kultur- und Mediengüter längst 
    zu Objekten milliardenschwerer Investitionen und Spekulationen geworden 
    sind. Der Handel mit kulturellen Dienstleistungen gilt mittlerweile als 
    einer der wachstumsstärksten Bereiche der Weltwirtschaft. In den Kinos von 
    Europa werden schon lange fast ausschließlich American Dreams und keine 
    europäischen Träume geträumt.  
     
    Die europäische Kulturpolitik steht also vor der schwierigen Herausforderung 
    sowohl kulturelle Zusammenarbeit und Austausch innerhalb Europas und mit der 
    Welt aktiv zu fördern, als auch die bestehende kulturelle Vielfalt vor 
    wirtschaftlichem Liberalisierungsdruck zu schützen. Dies kann nur gelingen, 
    wenn auch Finanz- und Außenminister Kultur als Grundlage und integralen 
    Bestandteil ihrer Politik verstehen. „Wir müssen versuchen, für das 
    Kulturbudget der Europäischen Kommission für die Jahre 2007 bis 2013 eine 
    finanzielle Ausstattung zu schaffen, die im Wesentlichen den Anforderungen 
    entspricht“, fordert Gottfried Wagner, Generalsekretär der 
     Europäischen 
    Kulturstiftung in Amsterdam. „Es gibt dazu konkrete Berechnungen 
    und die belaufen sich auf 70 Cents für jeden europäischen Bürger.“ Die 
    Empfehlung des Europäischen Parlaments an die Mitgliedsländer wird 
    voraussichtlich bei 17 Cents liegen. 
     
    Auf der Baustelle Europa kann auf dem Weg von der rhetorischen „Einheit in 
    der Vielfalt“ zu einer lebendigen europäischen Kultur also noch lange 
    gebuddelt werden.   |