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    Negativ ist positiv 
     
    
     
    
    
     
    Interview: 
    
    
    
    Sarah Klumps   Bild: 
    Die Zeit 
    
    
    
     
    
    
    Joachim Fritz-Vannahme ist Korrespondent der 
    Wochenzeitung "Die Zeit" in 
    Brüssel. Sein Geschäft: die Europäische Union nach Deutschland zu holen. 
    Doch Brüssel ist für viele Leser weit weg. In der Regel sind es die 
    negativen Schlagzeilen, die der Bürger mit der EU verbindet. Seine Vision 
    über EU-Berichterstattung hat Joachim Fritz-Vannahme in der Neuen Gegenwart 
    verraten.  
     
    Neue Gegenwart: Herr Fritz-Vannahme, Sie sind 
    Deutscher und zugleich Bürger der Europäischen Union. Sind Sie nun Auslands- 
    oder Inlandskorrespondent?  
     
    Joachim Fritz-Vannahme: 
    Ich bin ein Mittelding. Darin liegt der Reiz der Aufgabe. Wenn im Streitfall 
    die Österreicher die Deutschen beim Stabilitätspakt abstrafen wollen oder 
    die Spanier für ihre Sprache mit harten Bandagen kämpfen, sollte der 
    deutsche Journalist das zunächst einmal fair darstellen – und dann zum 
    Urteil finden. Was den Job zugleich interessant und schwierig macht.
     
     
    Neue Gegenwart: Schwierig ist es ja auch, ein EU-Thema überhaupt erst ins 
    Blatt zu heben. Brauchen wir mehr Berichterstattung über die EU? 
    
     
     
    Fritz-Vannahme: Nicht so 
    sehr aus Brüssel. Da wäre weniger oft mehr, wenn ich zum Beispiel an die 
    Beiträge über Verwaltungskleinkram denke. Wohl aber brauchen wir mehr EU auf 
    regionalem und lokalem Niveau zu Hause, also dort, wo Europa in konkrete 
    Maßnamen umgesetzt wird. Die kommen über die Bürger wie aus heiterem Himmel, 
    wie ein „Gottesurteil“ aus dem fernen Brüssel. Genau diese Eindeutschung 
    aber wäre in der Berichterstattung zu leisten, kenntnisreich und fair. Was 
    aber nicht bedeuten muss, dass der Journalist vor Ort all das, was der Rat 
    angerichtet hat, auch für sinnvoll hält.  
     
    Neue Gegenwart: Bei all den Negativmeldungen über die 
    EU, vermissen Sie da nicht manchmal die Positiv-Schlagzeilen?  
     
    Fritz-Vannahme: Die sind 
    längst da. Nur werden sie oft nicht gelesen. Wer weiß schon als Verbraucher, 
    dass die Ausdehnung der Gerätegarantie auf zwei Jahre in Brüssel ausgeheckt 
    wurde? Wer ist sich schon im Klaren darüber dass es vor sechs Jahren eine 
    europäische Außenpolitik kaum gab, wo heute EU-Politiker mit den Iranern 
    verhandeln oder zwischen Israel und Palästina einen Übergang kontrollieren? 
    Wer hat eigentlich bemerkt, dass vor einem guten Jahr beim Tsunami die 
    US-Flotte zwar schnell vor Ort, aber genauso schnell wieder weg war, und die 
    EU weiter half und hilft?  
     
    Neue Gegenwart: Nationale Medien scheinen 
    solche Meldungen aber selten zu bringen…  
     
    Fritz-Vannahme: Es gibt 
    – wie in der nationalen Berichterstattung – einen Hang zum Negativen, zum 
    Misslungenen. Good news is bad news, lautet ein alter Redakteursspruch.
    
     
     
    Neue Gegenwart: Negativ ist positiv?  
     
    Fritz-Vannahme: Ja, 
    gewissermaßen. Gute Nachrichten gelten als langweilig. Viel aufregender ist 
    es, wenn sich 25 Spitzenpolitiker der EU im Zuge der Haushaltsdebatte ums 
    Geld zoffen. Wobei dann am Ende dem Leser gar nicht mehr klar zu machen ist, 
    wer verloren, und wer gewonnen hat.  
     
    Neue Gegenwart: Ist das Ihr Ruf nach einer europäischen Bildzeitung? 
    
     
     
    Fritz-Vannahme: Ich 
    hätte nichts gegen eine EU-Bildzeitung. Aber ich sehe das Problem, dass 
    diese leicht als Propaganda für oder gegen die EU verstanden oder sogar 
    genau so gemacht wird. Verschärfend wirkt der Umstand, dass Brüssel nun mal 
    Politik ist und Politik auch im nationalen Maßstab derzeit einen schweren 
    Stand hat und gern für alles haftbar gemacht wird. 
     
     
    Neue Gegenwart: Wenn nicht mit einer EU-Bildzeitung, wie dann wollen Sie als 
    Journalist Brüssel näher zum Bürger bringen?  
     
    Fritz-Vannahme: Durch 
    Anschauung und Genauigkeit. Alles andere wäre bestenfalls Make-up. Nötig ist 
    dabei immer ein Stück guter Volkshochschule. Man darf sich nicht scheuen, 
    die EU dem Anfänger zu erklären. Die Fachleute kommen allenfalls durch 
    Nebensätze oder Kurzkommentare auf ihre Kosten. 
     
    Neue Gegenwart: Herr Fritz-Vannahme, vielen Dank für 
    das Gespräch.  
     
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    AUSGABE 47 
    WER IST EUROPA? 
     
     
      
     
    
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    EDITORIAL VON BJÖRN 
    BRÜCKERHOFF 
    LOBEND ERWÄHNT: NEUE 
    GEGENWART 
    BAUSTELLENBESUCH ZU BABEL 
    ES WERDE EUROPA 
    NEGATIV IST POSITIV 
    
    WIE 
    EUROPÄISCH IST DAS DEUTSCHE KINO? 
    DIE JUNGE UNION 
    
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