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    Wenn es um Medienjournalismus geht, sind sich Kommunikations-wissenschaftler 
    und Medienjournalisten erst einmal ungewöhnlich einig: Die Berichterstattung 
    über die eigene Branche ist ein journalistischer Spezialfall. Sie berührt 
    unmittelbar Interessen von Kollegen, Redaktionen und Medienunternehmen und 
    unterliegt deswegen speziellen Rahmen-bedingungen und Einflüssen. Von 
    Journalisten wie von Wissenschaftlern wird sie kritisch beäugt, stets im 
    Verdacht, von besonderen Motiven und eigenen Interessen gesteuert zu sein. 
     
    Die Wissenschaftler, aber auch die Journalisten, die in wissenschaftlichen 
    Sammelbänden zu Wort kommen, beschäftigen sich denn auch vornehmlich mit den 
    Problemen, die mit dem Journalismus „in eigener Sache“ einhergehen  mit der 
    „Selbstbeobachtungsfalle“, mit dem „Dilemma des Medienressorts“, mit den 
    „Risiken der Selbstbeobachtung“, mit „Selbstbespiegelung und 
    Konkurrenzbeschimpfung“ oder gar mit dem „Untergang der Medienkritik“. Dabei 
    ist das Fundament der wissenschaftlichen Publikationen zum 
    Medienjournalismus allerdings nicht gleichermaßen solide. 
     
    Einige Studien basieren auf umfassenden empirischen Analysen, welche die 
    Merkmale und Einstellungen der Medienjournalisten, die 
    Entscheidungsstrukturen der Redaktionen oder die Inhalte der 
    Medienberichterstattung systematisch in den Blick nehmen ( 1). Mit diesen Studien 
    werden einerseits besondere Hindernisse und Einschränkungen des 
    Medienjournalismus in Deutschland belegt: Erstens ist das Thema „Medien“ nur 
    in wenigen Redaktionen organisatorisch fest verankert und hinreichend mit 
    Personal ausgestattet. Medienjournalismus bleibt daher oft auf eine 
    Berichterstattung über das Fernsehprogramm und über Fernsehprominenz 
    beschränkt. Zweitens wird Medienkritik zum Problem, wenn das eigene Haus  
    das eigene Medienunternehmen oder die eigene Redaktion  zum Thema wird. 
    Dann kommen Strategien der positiven Selbstdarstellung unausweichlich ins 
    Spiel. Erfolge des Hauses werden hervorgehoben, Pleiten, Pech und Pannen 
    eher verschwiegen. Ein Vorgehen also, das zwar bei jedem Unternehmen Gang 
    und Gäbe ist, im Journalismus aber den Erwartungen an eine motivfreie, 
    möglichst objektive Berichterstattung widerspricht. 
     
    Andererseits zeigen diese systematischen Analysen aber auch, dass die 
    spezifischen Beschränkungen der Medienberichterstattung bei weitem nicht 
    immer wirksam werden, dass guter Medienjournalismus also durchaus existiert. 
    Und zwar immer dann, wenn es im Blatt bzw. im Programm ausreichend Personal 
    und Platz für eine umfassende Medienberichterstattung gibt, wenn Redaktionen 
    nicht selbst von einem Thema betroffen sind, wenn die innere Pressefreiheit 
    im Medienunternehmen und von der Chefredaktion ernst genommen werden. Alles 
    in allem heißt das: Die Medienberichterstattung in Deutschland kann durchaus 
    einen umfassenden Blick auf die wichtigen Medienereignisse und 
    -entwicklungen bieten. Zwar nicht jederzeit in jeder Publikation, stets aber 
    durch die gegenseitige Ergänzung der einschlägigen Angebote. 
     
    Dennoch stellt ein großer Teil der Publikationen den Medienjournalismus 
    anhand von Fallbeispielen unter Generalverdacht. In Aufsätzen und 
    Sammelbänden beschreiben Wissenschaftler und Medienkritiker einzelne 
    journalistische Fehlleistungen, um die Defizite der Medienberichterstattung 
    insgesamt zu beklagen ( 2). Anders als etwa in den USA sei der Medienjournalismus 
    in Deutschland nicht in der Lage, durch Selbstkontrolle zur journalistischen 
    Qualitätssicherung beitragen, Transparenz und Orientierungshilfe im 
    Mediendschungel bieten und durch kritische Analysen die Rolle der Medien in 
    der Mediengesellschaft beleuchten. Die gelungenen Gegenbeispiele in der 
    unabhängigen Tageszeitung, im engagierten Blog, im Fachmagazin mit akribisch 
    recherchierten Geschichten werden dabei oft geflissentlich übersehen.  
     
    Warum ist die Wissenschaft anscheinend geradezu auf der Suche nach 
    Beispielen für einseitige und interessengeleitete Medienberichterstattung, 
    um den Generalverdacht gegen den Medienjournalismus immer wieder zu 
    bestätigen? Einerseits liegt dies in der Natur ihrer Funktionsweise: Sie 
    macht auf Probleme und Defizite aufmerksam und kann gegebenenfalls 
    Verbesserungen anregen. Andererseits nimmt die Wissenschaft die 
    Medienberichterstattung mit großen Erwartungen in den Blick. Sie hofft auf 
    journalistische Selbstkontrolle, Qualität, Transparenz und Glaubwürdigkeit 
    der Medien durch Medienkritik. Dazu sollen Medienjournalisten besondere 
    Fähigkeiten an den Tag legen, sich beispielsweise „frei machen vom 
    Aktualitätsdruck und geduldig in den Medienbetrieb hineinhorchen“, 
    Medienbeobachtung als „Aufklärungsprojekt“ betreiben, einem 
    „Verantwortungsprinzip“ folgen ( 3).  
     
    Diese Erwartungen werden in der Regel enttäuscht. Medienberichterstattung 
    zielt nicht in erster Linie auf Kritik, Kontrolle und Aufklärung ab, sondern 
    ist  wie der Journalismus in Deutschland insgesamt  vor allem auf aktuelle 
    Information und auf Service für sein Publikum ausgerichtet. Unter diesen 
    Umständen wird die wissenschaftliche Suche nach gelungenem 
    Medienjournalismus zur self-fulfilling prophecy: Sie ist vornherein zum 
    Scheitern verurteilt.   | 
    
     
    
    Die Autorin 
    
     
     
      
     
    
    
    Dr. Maja Malik 
    
     
    Maja 
    Malik, (geboren 1974) ist 
    wissenschaftliche Mitarbeiterin am
    
    
    
     Institut 
    für Kommunikations-wissenschaft 
    der Universität Münster und arbeitet dort an dem 
    Forschungsprojekt
    
    
    
     Journalismus 
    und Wandel. Sie studierte 
    Kommunikationswissenschaft, Geo-graphie, 
    Politikwissenschaft und Anglistik an den Universitäten Münster und Mainz und 
    promovierte 2003 mit einer Arbeit über die  
    
     Funktion, 
    Strukturen und Strategien der journalistischen Selbstthematisierung, 
    
    für die sie mit dem Dissertationsförderpreis 
    der 
    
     Deutschen 
    Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikations-wissenschaft 
    ausgezeichnet wurde. Von 2003 bis 2006 war Maja Malik als wissenschaftliche 
    Mitarbeiterin am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft 
    der Universität Hamburg für die Studie  
    
    
     Journalismus in Deutschland II zuständig, die jüngst unter dem Titel 
    
    
     Die 
    Souffleure der Medien-gesellschaft. Report 
    über die Journalisten in Deutschland
    erschienen ist.  |