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    Corporate Blogs
    
    – 
    Seifenblase oder Bereicherung? 
     
    
     
    
    
     
    Text:
    
    
    
    Tim Fischer 
     Bild: 
    
    Wikipedia 
    
     
    Die 
    Berichterstattung über das Phänomen „Blogging“ hat in den vergangenen Wochen 
    und Monaten online wie offline zugenommen. Längst sind die zunächst 
    überwiegend von Privatpersonen geführten elektronischen Tagebücher von den 
    traditionellen Medien wie beispielsweise „ Die Zeit“ oder der „ Tagesschau“ kopiert 
    worden und haben Einzug in das Themenrepertoire von Lifestyle-Magazinen wie 
    „ GQ“ gefunden. Nun rücken auch die Industrie-Unternehmen nach. Seit kurzem 
    wird in Deutschland diskutiert, was in den USA einen ersten Hype bereits 
    hinter sich hat – Corporate Blogs. Was ist der Nährboden für diese Form des 
    “grass-root journalism“ und ist dieser neue Kommunikationskanal für die 
    Unternehmenskommunikation tauglich? Welche Auswirkungen haben Corporate 
    Blogs auf den Journalismus? Oder stellen Corporate Blogs nur eine bald 
    platzende Seifenblase in der heiß diskutierenden "Blogosphäre" dar?  
     
    Blogs als Meinungsforum und neue Bezuggruppe 
     
    Weblogs schaffen themenbezogene, neue Öffentlichkeiten die schnell entstehen 
    und sich ebenso schnell wieder auflösen können (Zerfaß (2004), Plake (2001)). Sie stellen daher eine besondere Herausforderung für das 
    
    
    
     Issues 
    Management jeder Unternehmenskommunikation dar.
    Aufgrund der einfachen Handhabung und der geringen Kosten 
    für Produktion und Übertragung bieten Blogs Kommunikatoren, die nicht 
    originär aus der Medienindustrie stammen, die Möglichkeit, sich an der 
    öffentlichen Kommunikation zu beteiligen und Themen vorzugeben 
    beziehungsweise diese
    
    
    
     zu 
    kommentieren.   
     
    Bedrohung und Chance für Unternehmenskommunikation 
    und  
    Journalismus 
     
    Weblogs ersetzen damit die klassische „one-to-many“-Kommunikation durch eine 
    netzwerkartige Kommunikation (Plake (2001), S. 108 f.). Möglich wird dies 
    durch die Hypermedialität (Wirth (1999)) der Weblogs, denn mittels Trackbacks, 
    Blogrolls und Pingback werden einfache Verlinkungen und Themenclusterungen 
    auf einem Weblog möglich. 
      
     
    Damit eröffnen sich für die Unternehmenskommunikation bislang unbekannte 
    Arenen der öffentlichen Kommunikation und neue Kommunikationspartner rücken 
    ins Blickfeld – sei es, um neue Themen aufzugreifen, diese zu kommentieren 
    oder selber Themen zu setzen. Direkte, interaktive Kommunikation mit allen 
    Stakeholdern der Unternehmung ist über das Web möglich. Corporate Blogs 
    stellen die neuste Herausforderung an die Netzwerk-Kommunikation für 
    Unternehmung und ihre (neuen) Bezugsgruppen dar. Corporate Blogs stellen im 
    Gegensatz zu den eher privaten, elektronischen Tagebüchern – Weblogs – und 
    den eher politisch oder journalistisch geprägten J-Blogs, eine auf der 
    Website des Unternehmens geführten Blog dar. Dieser wird entweder direkt von 
    der Unternehmensleitung oder seinen Mitarbeitern geführt und aktualisiert. 
    Inhaltlich schreiben Corporate Blogger von neuen Produkten, Entwicklungen 
    oder über ihre Wettbewerber oder die Branche an sich, in der sich ihr 
    Unternehmen befindet. Corporate Blogs verfolgen den Zweck, Information 
    ungefiltert an die jeweiligen Stakeholder zu übermitteln oder um als 
    Inforessource für Journalisten (und deren Blogs) zu dienen. Doch wo liegt 
    das eigentliche Potential von Corporate Blogs? Welche Chancen und Risiken 
    bieten sich für Unternehmung und Journalisten? 
     
    Aufmerksamkeitsdefizite als neue kommunikative Barriere für die 
    Unternehmenskommunikation 
     
    In Zeiten des medialen und häufig beklagten „information overload“ werden 
    Unternehmensinformationen nicht mehr wahrgenommen. Lediglich Informationen 
    zu einem spezifischen Bedarf, verstanden als „zweckorientiertes oder 
    zielgerichtetes Wissen“ (Wittmann 1959, S. 14), sind knapp. Für die 
    Rezipienten ist damit die Suche nach der richtigen Information wichtiger 
    geworden. Bei einem zunehmenden Medienangebot und einem begrenztem 
    menschlichen Wahrnehmungsapparat nimmt die Aufmerksamkeit für jedes einzelne 
    Medium und der mit ihr übertragenen Botschaft ab. Aufmerksamkeit wird damit 
    zum knappen Gut (Franck (1998)) und stellt damit eine neue kommunikative 
    Barriere für die Unternehmenskommunikation. Nicht mehr was in den Medien 
    ist, wird damit relevant (Merten (1999), S. 260), sondern entscheidend für 
    die Unternehmenskommunikation ist, wie man die Aufmerksamkeit auf dieses 
    Medium lenken kann. Zählte man vor kurzem noch den Aufbau von Vertrauen und 
    Image zu den wesentlichen Aufgaben der Unternehmens-kommunikation, um damit 
    Reputation für das Unternehmen zu schaffen (Zerfaß (2004), S. 396), gilt es 
    nun, die Aufmerksamkeit der Bezugsgruppen zu bestimmten Themen, Ereignissen 
    und Informationsangeboten der Unternehmung zu erzielen. Corporate Blogs 
    helfen, „Kommunikation zu betreiben um Kommunikation anzustoßen“ (Merten 
    (1999)). Aufgrund der vorgegebenen technischen Struktur von Blogs können 
    einzelne Corporate Blogs mittels RSS (Really Simple Syndication) (Hammersly 
    (2003)) „abonniert“ werden. Über eine kostenlose Browsersoftware, den 
    
     News-Feedern, 
    können Rezipienten individuell ihre Blogs zusammenstellen. Der Feeder 
    informiert dann automatisch, wenn neue Beiträge auf dem Blog erscheinen. 
    Aufwendige suchen oder ein regelmäßiges Nachschauen auf dem Blogs entfällt 
    dann. 
     
    Verlust der Gatekeeper-Funktion für Journalisten durch Corporate Blogs 
     
    Vor dem Internetzeitalter bestimmten fast ausschließlich Journalisten als 
    Nachrichten-Gatekeeper worüber die Rezipienten informiert wurden 
    (Informationsfunktion). Redakteure bestimmten, welche Informationen 
    realistisch, glaubwürdig oder für den Leser/Zuschauer relevant oder von 
    Interesse waren (Orientierungsfunktion) und trugen somit zur öffentlichen 
    Meinungsbildung und Unterhaltung bei (Hilse/Hoewner, 1998). Weblogs 
    ermöglichen nun jedem die Teilnahme an der öffentlichen Diskussion. Dieser „partizipatorische“ 
    oder „grass root“ Journalismus stellt die klassischen Aufgaben und 
    Funktionsweisen des Journalismus auf den Kopf, denn in der Blogospähre wird 
    erst geschrieben und dann kommentiert ( Neuberger 2003). Corporat Blogs 
    erlauben es der Unternehmung direkt mit den Bezugsgruppen in Kontakt zu 
    treten, sei es durch Kommentierung bestehender Weblogs zu einem 
    Themenbereich der Unternehmung oder durch Aufbau eines eigenen Corporate 
    Blogs. In beiden Fällen werden Journalisten ausgeschlossen. 
     
    Neue Aufgaben für Online-Journalisten 
     
    Auf Journalisten als klassische Informationsintermediäre im Mediensystem 
    kommen damit neue Aufgaben zu. Die in der Blogosphäre vorherrschende 
    Netzkommunikation macht ihre Rolle als Gatekeeper hinfällig. Information 
    kann ungefiltert zwischen Unternehmen und Rezipient fließen. Die 
    journalistische Filterfunktion und Informationsfunktion entfällt, denn im 
    Corporate Blog können die Rezipienten schon heute lesen, was morgen erst 
    gedruckt oder gesendet wird. Damit erhält die Unternehmung ein interaktives, 
    aktuelles Kommunikationsinstrument zur Themensetzung und Diskussion. 
     
      
     
    Trotz dieser neuer Technologien ist eine Verdrängung der journalistischen 
    Orientierungsfunktion nicht vollkommen denkbar. Aufgrund der zunehmenden 
    Fragmentierung und Individualisierung der Gesellschaft entsteht ein 
    verstärktes Informationsbedürfnis in den einzelnen „Teilöffentlichkeiten“, 
    das wiederum die Informationsfunktion des Journalisten stärkt. Journalisten 
    sind künftig nicht mehr als Gatekeeper der Information, sondern für Qualität 
    zuständig und sorgen für eine Orientierung in der hohen Datenflut durch ihre 
    Kommentierung. 
     
    Fazit: Corporate Blogs als komplementäres Kommunikationsinstrument 
     
    Die Vorteile von Corporate Blogs liegen auf der Hand. Corporate Blogs 
    erlauben eine authentische Darstellung des Unternehmens. Die praktisch 
    unbegrenzte Reichweite und vierundzwanzigstündige Verfügbarkeit für alle 
    Interessierten sowie die Möglichkeit ein direktes Feedback von Weblog-Lesern 
    durch Trackback und Pingback Kommentierung zu erhalten, können 
    Unternehmensinteressierte besser eingebunden werden ( Eck  2004) 
    Corporate Blogs erlauben ein offene und argumentative Diskussion und erhöhen 
    damit die Glaubwürdigkeit der Unternehmung. Trotz der Offenheit der Weblogs 
    besteht eine hohe Kontrollmöglichkeit für den Besitzer eines Weblogs. (Kent, Tayloer, White, 2002, S: 63) Er kann den Zugang verweigern, Kommentare 
    editieren u.ä. Durch eine geschickte Einbindung von Blogrolls wird es 
    möglich, bestimmte Themencluster zu bauen und damit auch Aufmerksamkeit auf 
    bestimmte Themen zu lenken und die eigene Kompetenz der Unternehmung zu 
    unterstreichen. Dadurch wird die Glaubwürdigkeit des Unternehmens gestärkt. 
    Darüber hinaus sorgen Querverweise dafür, dass das Unternehmen häufiger in 
    Suchmaschinen auftaucht und aufgrund von Trackbacks evtl. quer referenziert 
    wird. Das erhöht das Aufmerksamkeitsniveau für das Corporate Blog und damit 
    die Chance vom Rezipienten wahrgenommen zu werden. Dank RSS ist es möglich 
    aktuelle Themen sehr zügig Interessenten mitzuteilen, ohne dass diese aktiv 
    nach neuen Informationen über die Unternehmung suchen müssten.  
     
    Corporate Blogs sind nicht jedermanns Sache 
     
    Corporate Blogs stellen ein kostengünstiges, schnell aktualisierbares und 
    leicht zu bedienendes Medium dar und bieten gerade mittelständischen 
    Unternehmen eine gute Möglichkeit, ein schnelles Feedbackmedium im Internet 
    zu etablieren. Doch Vorsicht! Trotz der Vorteile sind Corporate Blogs nicht 
    für jedes Unternehmen geeignet. Aus den Vorteilen der Aktualität und 
    Feedbackmöglichkeit erwachsen hohe Anforderungen an die 
    Unternehmenskommunikation. Es benötigt viel Content und qualifizierte 
    Mitarbeiter zum Betreiben eines Corporate Weblogs. Wer nicht über die 
    entsprechenden Kapazitäten verfügt, regelmäßig ein erfolgreiches Corporate 
    Blog zu betreiben und zu aktualisieren, sollte lieber über alternative 
    Kanäle nachdenken oder sich eventuell nur indirekt an bestimmten Themen über 
    Kommentare beteiligen.  
     
    Die vor kurzem veröffentlichte Studie von
    " Berlecon" bestätigt die 
    Potentiale von Corporate Weblogs. Sie eignen sich zur Unterstützung von 
    Image- und Markenbildung sowie zur Platzierung neuer Ideen und Themen. Auch 
    die  "Financial Times Deutschland" berichtete über einige Beispiele von 
    Corporate Blogs in Deutschland. Doch scheint dies erst der Anfang zu sein. 
    Neben der inhaltlichen Nutzung zur Themengestaltung, Kundenbindung und 
    Imageunterstützung durch Corporate Blogs für den Bereich der 
    Öffentlichkeitsarbeit sollen in naher Zukunft RSS-Feeds zu werblichen 
    Zwecken in Deutschland genutzt werden, berichtete die " Computerwoche" 
    kürzlich. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich auch in Deutschland Corporate 
    Blogs als festes Instrument im Mix der Unternehmenskommunikation etablieren 
    werden oder ob das Phänomen der Blogs bald wie eine Seifenblase zerplatzt.  
     
    Literatur: 
     
    Franck, Georg (1998): Ökonomie der Aufmerksamkeit.  
    
    Ein Entwurf. München, Wien. 
     
    Hammersly, Ben (2003): Content Syndication with RSS, Sebastopol, CA. 
     
    Hilse, Markus; Hoewner, Jörg (1998): Die Kommunikationskrise im Internet – 
    und was man dagegen tun kann..., in: Krezminski, Michael; Zeraß, Ansgar 
    (1998): Interaktive Unternehmenskommunikation – Internet, Intranet, 
    Datenbanken, Online-Dienste und Business-TV als Bausteine erfolgreicher 
    Öffentlichkeitsarbeit, 1998, Frankfurt am Main, S. 137 - 154. 
     
    Merten, Klaus (1999): Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Band 
    1/2: Grundlagen der Kommunikationswissenschaft, Münster. 
     
    Plake, K.; Jansen, D.; Schuhmacher, B. (2001): Öffentlichkeit und 
    Gegenöffentlichkeit im Internet - Politische Potentiale der 
    Medienentwicklung, Wiesbaden. 
     
    Wirth, Werner; Schweiger, Wolfgang (1999): Selektion im Internet. Empirische 
    Analysen zu einem Schlüsselkonzept, Opladen; Wiesbaden. 
     
    Zerfaß, Ansgar (2004): Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit - 
    Grundlegung einer Theorie der Unternehmenskommunikation und Public 
    Relations, 2., ergänzte Auflage, Wiesbaden.  
     
    Die direkt verlinkten Quellen sind nicht aufgeführt.  | 
    
    AUSGABE 40 
    NEUER JOURNALISMUS? 
     
     
      
     
    
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