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    Hänsel und 
    Gretel aus dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm machten es vor –  
    mit Hilfe einer Fährte aus Brotkrumen markierten sie ihren Weg. So wollten sie, 
    von den Eltern ausgesetzt, sicher wieder nach Hause finden.  
     
    Mittlerweile tun fast ein Drittel der Verbraucher in Deutschland dasselbe. 
    Sie markieren ihre Fährte mit digitalen Brotkrumen und so lässt sich ihr Weg 
    – zumindest theoretisch – schnell rekonstruieren. Der wesentliche 
    Unterschied zu Hänsel und Gretel besteht lediglich darin, dass die 
    Verbraucher sich dessen vielfach nicht bewusst sind. Denn die Brotkrumen unserer Zeit werden 
    anders abgesondert – zum Beispiel durch die so genannten Payback-Karten.  
     
    Laut einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2006 konnte in 32 Prozent aller 
    deutschen Geldbörsen eine solche Karte vorgefunden werden. Hinter Payback 
    steht das Münchener Unternehmen 
    
    Loyalty Partner GmbH. Sie betreibt das 
    hierzulande größte Rabattkarten-System, neben dem noch andere Anbieter 
    existieren. Seit 2004 ist das Wort „Payback“ sogar im Duden gelistet. Dass 
    Payback in der deutschen Übersetzung neben „Rückerstattung“ aber auch 
    „Heimzahlen“ oder „Rache“ heißen kann, soll uns nicht weiter sauer 
    aufstoßen. 
     
    Bei den Kunden- oder Rabattkarten handelt es sich um ein raffiniertes 
    Kundenbindungsinstrument – das so neu gar nicht ist. Bis in die 1970er Jahre 
    hatte man in Deutschland schon Lust auf Wertmarken in Form von kleinen 
    Sammel- und Eintausch-Coupons, bis diese von anderen Werbeinstrumenten 
    verdrängt wurden.  
     
    Doch jetzt sind sie wieder da, zumeist bunt, elektronisch und im 
    Scheckkartenformat. Die Funktionsweise ist ganz einfach. Die Kundenkarten 
    bekommt man beispielsweise direkt von Payback oder von den 
    Partnerunternehmen aus allen möglichen Konsumbereichen. Das was der Kunde an 
    der Kasse eines Unternehmens ausgegeben hat, wird bei Vorlage der Karte nun 
    zu (Bonus-)Punkten, einer virtuellen Scheinwährung, umgerechnet. Dabei 
    können unterschiedliche Schlüssel angewendet werden. Gängig ist die Vergabe 
    eines Punktes pro ausgegebenen Euro.  
     
    Die Aussage ist klar: Wer mit der Karte einkauft, der hat einen Vorteil und 
    damit Zugang zu einem exklusiven Kreis von privilegierten Sparfüchsen. Denn 
    die angesammelten Punkte tauscht man entweder gegen bares Geld oder Prämien 
    wie Toaster, Kaffeemaschine und Digitalkamera. So soll der Kunde langfristig 
    an die teilnehmenden Partnerunternehmen des jeweiligen Kartensystems 
    gebunden werden.  
     
    Anscheinend macht es dem einen oder anderen ja 
    sogar Spaß – zumindest wenn man dem Erfinder des Payback-Programms, 
    Alexander Rittweger, Glauben schenken mag. Der ist von seiner Idee 
    jedenfalls überzeugt. Bonuspunkte zu sammeln, so Rittweger in einem 
    Interview auf der Firmenseite, liege demnach in der Natur des Menschen. Da 
    muss man sich fragen, wie die Menschheit so lange ohne Bonuspunkte überleben 
    konnte. 
     
    Doch nicht 
    nur über den Sinn einer solchen Karte kann diskutiert werden – auch 
    Datenschützer melden seit Jahren ihre Bedenken an. Große Mengen an 
    Informationen über das Konsumverhalten der Nutzer werden über die Karten 
    gesammelt und ausgewertet – wenn der Kunde keinen Widerspruch gegen die 
    „Erlaubnis zur weitergehenden Verwendung der gespeicherten Daten“ eingelegt 
    hat. Doch oftmals ist das gar nicht so leicht ersichtlich und Hinweise sind 
    wahrlich klein gedruckt. Passagen müssen an der richtigen Stelle gestrichen 
    werden, um nicht in die Verwertungs-Maschinerie der Werbung zu geraten. Ist 
    man aber ein passionierter Verfechter der freien Datenweitergabe, dann kann 
    man sich in Aufnahme-Formularen vollends austoben – denn nicht nur Namen und 
    Adressen werden erfragt. Auch Daten, die über reine Grundangaben 
    hinausgehen, können freiwillig hinterlegt werden. Payback interessiert sich 
    zum Beispiel gleich auf seiner Online-Anmeldung für Familienstand und 
    Haushaltsnetto-Einkommen. Hier wird bereits angedeutet, wohin die Reise 
    gehen könnte. Denn für die Unternehmen ist jede Information über den Kunden 
    bares Geld wert. Je exakter die Angaben, desto besser lassen sich 
    Marketinginstrumente damit füttern, desto genauer lassen sich Zielgruppen 
    für einzelne Produkte bestimmen. Kundendaten sind dabei schon lange zu einem 
    wirtschaftlichen Gut geworden, das bei gewerblichen Auskunfteien eingekauft 
    werden kann. So ist es nicht verwunderlich, wenn die freiwillige 
    Informationsabgabe des Kunden mit weiteren Bonuspunkten honoriert wird. 
    Verschenken muss man solche Informationen wahrlich nicht. 
     
    Den 
    Unternehmen kann es jedenfalls nur recht sein, wenn sich viele Nutzer gar 
    nicht erst die Mühe machen, der Datenverwertung zu widersprechen, oder 
    überhaupt die Geschäftsbedingungen zu lesen. Bei Payback entscheidet sich 
    gerade einmal jeder Fünfte für den Widerspruch, so jedenfalls die 
    Unternehmensangaben. Bei dem Programm „Happy-Digits“, dem direkten 
    Konkurrenten von „Payback“, sind es sogar unter 10 Prozent.  
     
    Die Frage 
    ist wie immer, was mit den Daten eigentlich geschieht, die die Unternehmen 
    durch Kundenkarten sammeln können. Von einem intensiven Nutzer dieser 
    Rabattprogramme kann im Laufe der Zeit ein interessantes Profil zustande 
    kommen. Wann wurde wo das Auto getankt? Welche Produkte wurden im Supermarkt 
    gekauft? Wohin ging die letzte Urlaubsreise und welchen Mietwagen konnte 
    sich der Kunde leisten? Sogar für die Online-Bestellung von Blumen darf die 
    Kundenkarte benutzt werden. Die Unternehmen, die sich an den Karten-Systemen 
    beteiligen, sind längst in allen denkbaren Branchen angesiedelt – online 
    sowie offline. Die Datensätze, die daraus zusammengestellt werden können, 
    dürften jedem engagierten Datenschützer die Tränen in die Augen treiben. 
    Nicht nur ergibt sich so ein exaktes Bild über die präferierten Produkte der 
    Kunden, sondern nach und nach auch über die Einkommenssituation und den 
    Tagesablauf im Alltag und Urlaub.  
     
    Doch wie 
    genau schauen die Datensammler hin? Das ist eine Frage, die nur schwer zu 
    beantworten ist. Dass Informationen zu Einzelprodukten dem Kunden zugeordnet 
    werden können, davon ist seitens der Unternehmen nicht die Rede. Laut 
    Payback soll die Datenspeicherung nur einen Rückschluss auf Produktgruppen 
    ermöglichen. Wie es wirklich auf den Festplatten der Unternehmen aussieht 
    und was tatsächlich gespeichert wird oder nicht, bleibt ein großes 
    Geheimnis. 
     
    Einen guten 
    Hinweis was alles schief laufen kann, gibt unterdessen der so genannte 
    Big Brother Award. Dieser Negativ-Preis wird alljährlich vom dem „Verein zur 
    Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V.“, kurz 
    FoeBuD, ausgelobt. Er wird an Unternehmen und Organisationen verliehen, die 
    nach Meinung des Vereins missbräuchlich mit Technik und Informationen 
    umgegangen sind. Der Preis im Bereich „Kommunikation“ ging im Jahr 2007 
    beispielsweise an die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries für den 
    Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. In anderen Bereichen tummeln 
    sich aber auch viele Unternehmen der Privatwirtschaft, die sich mit 
    Speicherung und Weiterverkauf von persönlichen Kundendaten für den Preis 
    qualifizieren konnten. Aber die Datenschützer raten ja schon seit jeher, mit 
    den eigenen Daten hauszuhalten. 
     
    Am Ende lobt 
    man sich dann vielleicht doch anachronistisch-analoge Rabattkarten, die ein 
    bisschen an das vor-computerisierte Zeitalter der 70er Jahre erinnern. Man 
    findet sie zum Beispiel noch beim Pizzabäcker gegenüber. Für jedes Gericht 
    einen Stempel auf das kleine Rabattkärtchen und für den zehnten gibt’s ein 
    Gratisessen. Einsparpotenziale von bis zu 10 Prozent! Daran sollte sich der 
    Einzelhandel mal ein Beispiel nehmen. Und auch das Risiko in Sachen 
    Datenschutz ist überschaubar. Im Extremfall begrüßt uns der Pizzamann bald 
    augenzwinkernd mit dem Satz „Das Gleiche wie immer, Chef?“. Und mit einem 
    Nicken drücken wir grinsend unsere Zustimmung aus. Denn nur im Kleinen fühlen 
    wir uns manchmal ganz wohl, so als gläserner Mensch.   | 
    
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