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    Im öffentlichen Diskurs haben 
    Datenschutz-Themen derzeit Hochkonjunktur. Doch wie berichten die 
    Massenmedien? Eine Inhaltsanalyse überregionaler Qualitätszeitungen 
    ermöglicht einige Antworten – und zeigt Handlungsoptionen für die 
    journalistische Praxis auf. 
     
    Bis zu 15.000 Menschen strömten Ende September 2007 zum Brandenburger 
    Tor. Ihr gemeinsames Ziel: eine 
    
     Großdemonstration gegen den „Überwachungswahn“ von 
    Politik und Wirtschaft, zu der der 
    
    
     Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung aufgerufen 
    hatte, um gegen die umstrittene Vorratsspeicherung von Telefon- und 
    Internetdaten, heimliche Online-Durchsuchungen oder die neue einheitliche 
    Steueridentifikationsnummer mobil zu machen. 
     
    Aktionen wie diese 
    zeigen: Datenschutz und Datensicherheit sind derzeit stark im öffentlichen 
    Diskurs präsent. Doch wie berichten die Massenmedien über diese Themen? 
    Lassen sich inhaltliche Präferenzen erkennen, etwa eine verstärkte 
    Berichterstattung im Zusammenhang mit der Terrorismus-Bekämpfung, die seit 
    den Anschlägen vom 11. September 2001 besonders viel Raum einzunehmen 
    scheint? Gibt es vernachlässigte Themenbereiche? 
     
    Um diesen 
    Fragen auf den Grund zu gehen, wurde mit Hilfe der Datenbank 
    
    
     Genios eine Inhaltsanalyse der überregionalen 
    deutschen Qualitätszeitungen durchgeführt. Dazu wurden für den Zeitraum vom 
    1. Januar 2000 bis zum 25. Oktober 2007 die Artikel der „ tageszeitung“ 
    (taz), der „ Frankfurter 
    Rundschau“ (FR), der „ Süddeutschen 
    Zeitung“ (SZ), der „Frankfurter 
    Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) und der „ Welt“ 
    (inkl. „Welt am Sonntag“) per Volltextrecherche nach den Begriffen 
    „Datenschutz“ und „Datensicherheit“ (OR-Verknüpfung) durchsucht und 
    ausgewertet. Auf diese Weise sollte geprüft werden, welche quantitativen und 
    qualitativen Trends sich für den Untersuchungszeitraum in der deutschen 
    Datenschutz-Berichterstattung nachweisen lassen. 
     
    Wissenschaftlichen 
    Qualitätskriterien genügt dieses Vorgehen sicherlich nicht. So ist (selbst-)kritisch 
    darauf hinzuweisen, dass die untersuchten Zeitungen teilweise nur ein 
    eingeschränktes Angebot ihrer Print-Beiträge in digitaler Form an Genios 
    übermitteln. Eine Recherche in der Datenbank ermöglicht daher nur einen 
    verzerrten Blick auf die tatsächliche Berichterstattung. Zudem sind die 
    ausgewählten Zeitungen offenkundig nur in begrenztem Maße repräsentativ für 
    „die Massenmedien“, d. h. für die mediale Berichterstattung insgesamt. 
    Nichtsdestotrotz versprach der gewählte Ansatz einige interessante 
    Einblicke, wenn es darum gehen sollte, den Status quo der journalistischen 
    Auseinandersetzung mit Datenschutz und Datensicherheit darzulegen und 
    mögliche Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Methodische Mängel wurden 
    daher aus arbeitsökonomischen Gründen in Kauf genommen. 
     
     
    Tabelle: Anzahl der 
    Beiträge zum Thema Datenschutz/Datensicherheit 
      
     
     
    Wie die Tabelle 
    zeigt, konnten mit Hilfe der Genios-Recherche in taz, FR, SZ, FAZ und Welt/WamS 
    im Untersuchungszeitraum insgesamt 4.976 Beiträge gefunden werden, die 
    entweder den Begriff „Datenschutz“ oder den Begriff „Datensicherheit“ 
    enthielten. Die meisten davon stammten aus der „Frankfurter Rundschau“ 
    (1.321), die wenigsten aus der „tageszeitung“ (761). Insgesamt ist aber 
    festzuhalten, dass alle durchsuchten Zeitungen das Thema 
    Datenschutz/Datensicherheit in scheinbar hohem Maße thematisiert haben. Die 
    Abweichung der taz ist u. a. mit dem im Vergleich geringerem Umfang der 
    einzelnen Zeitungs-Ausgaben zu erklären. 
     
    Auch im 
    Zeitvergleich zeigt sich eine mehr oder minder große Kontinuität. Zwar 
    konnten für das Jahr 2001 mit 804 Such-Treffern insgesamt die meisten 
    Beiträge nachgewiesen werden, was sich wohl mit einer verstärkten 
    Auseinandersetzung mit dem Thema (Daten-)Sicherheit in der Folge der 
    Terror-Anschläge vom 11. September erklären lässt. Auch in den anderen 
    untersuchten Jahrgängen fand jedoch eine umfangreiche Berichterstattung zu 
    Datenschutz-Themen statt. Eine Initialzündung stellt der 11. September in 
    jedem Falle nicht dar, denn auch für das Jahr 2000 lassen sich bereits 726 
    entsprechende Texte finden. Die These, dass die Qualitätszeitungen im Zuge 
    aktueller Diskussionen um heimliche Online-Durchsuchungen und 
    Vorratsdatenspeicherung gegenwärtig besonders intensiv über das Thema 
    Datenschutz berichten, lässt sich anhand der vorliegenden Zahlen ebenfalls 
    nicht belegen: Für 2007 fanden sich bislang mit 599 Such-Treffern erst 
    vergleichsweise wenige Beiträge; allerdings dürfte dieser Wert noch steigen, 
    da die Berichterstattung für die letzten neuneinhalb Wochen des Jahres in 
    dieser Erhebung noch nicht berücksichtigt werden konnte. 
     
    Während sich im 
    Vergleich zwischen den untersuchten Zeitungen und im Zeitvergleich also 
    keine allzu erheblichen Diskontinuitäten nachweisen ließen, zeigen sich bei 
    der Ressortzuordnung der gefundenen Beiträge größere Abweichungen. Zwar 
    beschäftigten sich prinzipiell alle Ressorts der untersuchten Zeitungen auch 
    mit Datenschutz-Themen. Mit Abstand der größte Teil der Berichterstattung 
    war jedoch im Politik-Ressort verortet. Dieses Ergebnis legt nahe, dass die 
    Qualitätszeitungen vor allem politische Entscheidungen und die 
    vorhergehenden und nachfolgenden Diskussionen rund um Datenschutz und 
    Datensicherheit verarbeiten, während andere Dimensionen des Themas 
    unterrepräsentiert sind. 
     
    Eine (qualitative) 
    Durchsicht der einzelnen Beiträge stützt diese Interpretation. So zeigt 
    sich, dass Aspekte des Datenschutzes im Analysezeitraum vor allem im 
    Zusammenhang mit dem Oberthema Verbrechensbekämpfung thematisiert wurden. 
    Häufig, aber längst nicht in allen Fällen geht es dabei um 
    datenschutzrelevante Fragen bei der Fahndung nach Angehörigen 
    terroristischer Vereinigungen, nicht selten auch um Chancen und Grenzen bei 
    der Aufklärung von Sexualverbrechen (Stichwort: DNA-Analyse) und anderer 
    Straftaten (Video-Überwachung, Lauschangriff, Verwendung von Maut-Daten 
    etc.). Ein Großteil der gefundenen Beiträge zu diesem Berichterstattungsfeld 
    behandelt das Thema Datenschutz nicht als zentralen Auslöser für eine 
    journalistische Bearbeitung. Stattdessen stehen meist aktuelle Anlässe des 
    politischen Tagesgeschehens (Debatte im Bundestag, Untersuchungsausschuss, 
    Wahlkampf etc.) im Mittelpunkt, die Journalisten aufgrund ihrer Präferenz 
    für Nachrichtenfaktoren wie Aktualität oder Elite-Bezug auf die Agenda 
    heben. Eine Auseinandersetzung mit Fragen des Datenschutzes findet dabei 
    oftmals nur am Rande statt, etwa durch die Einarbeitung eines entsprechenden 
    Zitates. Eine umfassende und hintergründige Aufbereitung des Themas ist im 
    Vergleich eher selten. Diese Erkenntnis relativiert das zuvor geäußerte 
    Zwischenfazit zum quantitativen Umfang der Datenschutz-Berichterstattung. 
     
    Unabhängig vom 
    Oberthema Verbrechensbekämpfung greifen die Qualitätszeitungen 
    Datenschutzaspekte auch in anderen thematischen Zusammenhängen auf. So wurde 
    in den vergangenen Jahren beispielsweise über die Diskussionen rund um die 
    Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und des biometrischen 
    Ausweises, einen möglichen Datenmissbrauch bei Kundenkarten, 
    Versicherten-Schutz, Vaterschaftstests, eventuelle Sicherheitslücken beim 
    Online-Banking u. v. m. berichtet. Im Vergleich nahmen diese Themen jedoch 
    einen deutlich geringeren Raum ein. Daraus lässt sich folgern, dass die 
    politische Dimension der Datenschutz-Berichterstattung klar im Vordergrund 
    steht, während andere Perspektiven – zum Beispiel die der Verbraucher, aber 
    auch der Arbeitnehmer – zu kurz kommen. 
     
    Diese These 
    lässt sich auch durch einige beispielhafte Recherchen der 
    zivilgesellschaftlich orientierten „ Initiative 
    Nachrichtenaufklärung“ (INA) belegen, die mit 
    ihren Listen der am meisten vernachlässigten Themen und Nachrichten in den 
    vergangenen Jahren immer wieder auch Datenschutz-Themen zu einer breiteren 
    Öffentlichkeit verhelfen wollte. So wies die INA in ihrer 
    
    
     Top-Ten-Liste des Jahres 2006 darauf hin, dass 
    Unternehmen die Bonität ihrer Kunden immer häufiger anhand undurchsichtiger 
    Scoring-Verfahren bewerten. Die Massenmedien hatten dieses Thema komplett 
    vernachlässigt. 
    
    
     2004 fanden sich gleich zwei Themen zu Fragen des 
    Datenschutzes auf der Top-Ten-Liste: So wurde auf die mangelnde Transparenz 
    und Pflege vieler deutscher Kundendatenbanken und die damit verbundenen 
    Konsequenzen für den Verbraucher aufmerksam gemacht – ebenso wie auf die 
    datenschutzrelevanten Folgen der Krankenkassenreform. Beide Themen waren in 
    der journalistischen Berichterstattung seinerzeit kaum existent. 
     
    Aus diesen 
    Befunden lassen sich für die journalistische Praxis einige Empfehlungen 
    ableiten: Um eine mediale Berichterstattung zu gewährleisten, die sich 
    angemessen mit Datenschutz und Datensicherheit auseinandersetzt, ist eine 
    größere Unabhängigkeit von der politischen Agenda, aber auch von gängigen 
    journalistischen Handlungsprogrammen wie der Themenselektion anhand von 
    Nachrichtenfaktoren notwendig. So lässt sich erreichen, dass auch solche 
    Themen hintergründig bearbeitet werden, die zwar nur latent aktuell sind, 
    aber dennoch eine große gesellschaftliche Relevanz bergen. Auf diese Weise 
    dürfte sich auch der Fokus auf die politischen Akteure in der 
    Berichterstattung verringern lassen, während mehr Raum dafür bleibt, sich 
    anderen, bislang unterrepräsentierten Personengruppen – wie eben den 
    Verbrauchern – zuzuwenden. 
     
    Großdemonstrationen wie die des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung 
    zeigen, dass dieser Perspektivwechsel in den Köpfen zahlreicher Bürger 
    bereits stattgefunden hat. Nun wird es Zeit, dass auch die Qualitätsmedien 
    nachziehen.  
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    Der Autor 
     
    
      
     
     
    
    Tobias Eberwein 
     
    Jahrgang 1978, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für 
    Journalistik der Universität Dortmund. Als Leiter der Lehrredaktion Online- 
    und Medienjournalismus ist er für das Internet-Magazin „ Medien 
    Monitor“ verantwortlich. Zudem ist als er 
    Chefredakteur des „ Journalistik 
    Journals“ und Rezensionsredakteur für die „Publizistik“ 
    tätig. Weitere Informationen auf 
    
     tobias-eberwein.de. 
    
     
     
     
    
     
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