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    Geheime 
    Verführer und die Ware Medien
     
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    „Ich glaube 
    nicht, dass Wahrheit das zentrale Moment der Medien sein kann. Die Meldungen 
    müssen ja auch zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein. Jeden Morgen muss 
    eine Zeitung vorliegen, jede Sendeminute im Fernsehen muss gefüllt sein. Ich 
    denke, dass eine Kommunikation, die auf Wahrheit spezialisiert ist, nicht 
    unter Zeitdruck stehen darf. Man weiß ja nicht, wie lange man prüfen muss. 
    Schon im 17. Jahrhundert gab es übrigens ein Theaterstück über einen 
    Menschen, der eine Zeitung gründete, die jede Woche erscheinen sollte. Im 
    Fortgang der Handlung wurde dann gefolgert, dass da nur Lügen drin stehen 
    können, denn, so dachte man damals, es passiert ja nicht jede Woche etwas.“ 
    Niklas Luhmann, 
    Interview mit dem Sonntagsblatt (heute: Chrismon), 1996. 
  
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    Herr 
    Herz, was ist wichtiger: Der Druckschluss oder die Wahrheit? 
    
    
     
    Wilfried Herz: Redaktionsschluss und Wahrheit schließen sich nicht aus. Beides ist 
    unabdingbar. Die Wahrheit muss in Medien, die ernst genommen werden und ihre 
    Leser oder Zuschauer nicht nur unterhalten wollen, das zentrale Moment sein. 
    Sonst können die Bürger und die Gesellschaft insgesamt
    darauf sofort verzichten. Wie 
    sollen politische, wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen vorbereitet 
    und getroffen werden, wenn Medien nicht die notwendigen Informationen 
    aktuell vermitteln? Nur auf der Basis von Geschichtsforschung lässt sich 
    keine Gesellschaft organisieren. 
     
    Der Redaktionsschluss ist selbstverständlich kein ethischer Wert. Eine 
    Zeitung, die nicht erscheint, weil die Berichte nicht rechtzeitig 
    geschrieben wurden, ist für den Leser genauso nutzlos wie eine Rundfunk- 
    oder Fernsehsendung für Hörer und Zuschauer, die ausfällt, weil sie nicht 
    rechtzeitig fertig gestellt wurde. Einem Wirtschaftsjournalisten einer 
    Zeitung muss zudem eine Bemerkung erlaubt sein: Wenn das Blatt nicht 
    rechtzeitig hergestellt wird und deshalb nicht verkauft werden kann, fehlen 
    finanzielle Mittel, die die Redaktion für solide Recherchen benötigt. 
     
    Eines räume ich sofort ein: Wer unter Wahrheit nur eine allumfassende 
    abschließende Berichterstattung versteht, kann natürlich mit einer einzelnen 
    Ausgabe einer Zeitung oder eines Magazins oder einer einzelnen Sendung in 
    elektronischen Medien zufrieden gestellt werden. Deswegen verfolgen seriöse 
    Journalisten und Medien einzelne Vorgänge und gesellschaftliche Prozesse 
    über Tage, Wochen, Monate oder Jahre hinweg. Die einzelnen Meldungen und 
    Berichte, mit denen die Bürger auf dem Laufenden gehalten werden, geben 
    zwangsläufig nur einen Ausschnitt wieder. Bei korrekter Schilderung der dann 
    bekannten Fakten (dazu gehört eventuell auch der Hinweis auf offene Fragen, 
    die zu dem Zeitpunkt nicht beantwortet werden können) kann von „Lügen“, wie 
    es in dem von Luhmann erwähnten Zitat heißt, keine Rede sein. 
     
    Insofern stellt der Reaktionsschluss keine echte Gefahr für die Schilderung 
    der Wahrheit dar. Jede Redaktion muss immer wieder minütlich, stündlich, 
    täglich oder wöchentlich anhand der Quellenlage und der gesicherten 
    Erkenntnisse entscheiden, ob eine Meldung zum Zeitpunkt des 
    Redaktionsschlusses „reif“ ist, veröffentlicht zu werden. 
    Verantwortungsvolle Redakteure werden notfalls auf eine Meldung erst einmal 
    verzichten und weitere Recherchen abwarten. 
     
    Allerdings gibt es eine negative Entwicklung in den Medien, bei der indirekt 
    der Redaktionsschluss eine Rolle spielt – eine Folge eines übertriebenen 
    Konkurrenzdenkens. Das ist die in den letzten Jahren zunehmend zu 
    beobachtende Jagd von Journalisten nach einer falsch verstandenen 
    Originalität oder Exklusivität. Diese Sucht verführt allzu häufig dazu, 
    schon Gerüchte und nicht ausreichend gesicherte Fakten zu präsentieren. Doch 
    damit ist weder dem Leser/Hörer/Zuschauer gedient noch dem Streben nach der 
    Wahrheit.  
    
     
     
    
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    Zur Person 
     
     
      
     
    Wilfried Herz 
     
    Wilfried Herz, wirtschaftspolitischer
    Korrespondent der Wochenzeitung Die Zeit, war 
    zuvor unter anderem Chef der 
    Wirtschaftsredaktion der Wochenzeitung, Leiter des Bonner Büros der 
    Wirtschaftswoche und Gründungsgesellschafter der Nachrichtenagentur ddp. 
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