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    In 
    der Nähe des westfälischen Ortes 
    Steinfurt vollbringt man das Kunststück, ein Café, eine Bratwurstbude, einen 
    Tretbootverleih und einen kostenpflichtigen Parkplatz um einen Amüsierpark 
    aus dem 18. Jahrhundert zu gruppieren, dessen Attraktionen fast alle bereits 
    vor knapp hundert Jahren abgerissen worden sind. Ein Ortstermin. 
    
     
    Dort, 
    wo heute im Wald zwischen Steinfurt und 
    Borghorst das Bagno liegt, 
    hatten die Gärtner anno 1765 der Natur nur einen kleinen 
    Privatgarten abgerungen. Jenseits der Gräfte des Wasserschlosses der Familie 
    von Bentheim-Steinfurt erstreckte sich  ein Buchenwald, durch den 
    drei Wege von Burgsteinfurt nach Münster führten.  
     
    Als Reichsgraf Karl Paul Ernst von Bentheim-Steinfurt, der den Siebenjährigen 
    Krieg im mondänen Paris verlebt hatte, in seine Heimat zurückkehrte, brachte er 
    seine Begeisterung über barocke Gartenbaukunst  
    –
    mit einiger Verspätung zur 
    Mode der Zeit  
    –
    mit ins 
    Münsterland. Dort, zwischen Wiesen, Weiden, Wallhecken und modrigen Tümpeln 
    wollte der Graf den Privatgarten der Familie ausbauen lassen: symmetrisch, geradlinig, die Natur 
    bezähmend. Seiner Familie, den zahlreichen Gästen und später 
    gar dem Volk 
    sollte der neue Garten zur Erholung dienen und Attraktion 
    sein.  
     
    So ließ der Graf ab 1765 
    seinen Oberforstmeister Johann Jost von Loen mit den 
    Arbeiten an einem barocken Garten mitten im Wald beginnen. Die Waldwege wurden 
    zu Achsen ausgebaut, ein Lustschloss wurde errichtet, Pavillons für Gäste 
    ergänzt, Blumen gepflanzt, Heckengänge angelegt und im Zentrum der Anlage 
    eine Kaskade installiert. 1774 konnte auch die Konzertgalerie fertig 
    gestellt werden, die noch heute an Ort und Stelle zu bewundern ist. Viele weitere 
    Attraktionen sollten folgen: 1777 die Maurische Hütte, die Kleine Fontäne und das 
    Amphitheater. Die Anlage wuchs beständig.  
     
     
    
      
     
    Die Maurische 
    Hütte heute 
    (Symbolfoto). 
     
     
     
    Als Reichsgraf Karl Ende Juni 1780 starb, war das Bagno bereits als Zentrum 
    gartenbaulicher Kunst und Amüsement weithin bekannt. Sein Sohn Ludwig, der 
    von seinem Vater die Begeisterung für pompöse Gärten und die 
    Sammlerleidenschaft geerbt hatte, erweitete den Garten beträchtlich (das 
    Volk musste freilich kräftig mit anpacken).  
     
    Mit Verspätung kam auch im Münsterland die englische Gartenmode an. Nach dem 
    Vorbild englischer Parklandschaften löste sie die Geradlinigkeit 
    französischer Gärten ab. Auch für exotische Bauten konnte der Graf sich 
    begeistern: chinesische und griechische  Tempel entstanden. Seine 
    Gestaltungswut  kannte kaum Grenzen: 105 Gebäude standen 
    schließlich teils dicht an dicht auf dem Gelände. Die türkische Moschee, das 
    Badehaus, das dem Bagno seinen Namen gab, der 
    chinesische Salon und das Garde- und Aufseherhaus aus der Zeit, als der Graf 
    noch eine Leibgarde beschäftigen durfte. 
     
    Die Napoleonischen Kriege brachten einschneidende Veränderungen für die 
    gräfliche Familie. 1806 fielen ihre Grafschaften Steinfurt und Bentheim dem Großherzog von Berg 
    zu, einem Schwager Napoleons. Das Bagno verfiel, während sich Ludwig in 
    Paris aufhielt, um für die Rückgabe seiner Besitztümer einzutreten. Doch die 
    Zeit des Bagnos war vorbei. Die Tümpel wurden modrig, die Gebäude  baufällig. 
    Der Verfall zog sich lange hin. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die letzten Gebäude abgerissen. 
    Drei stehen  noch heute: die Konzertgalerie, in der seit 1997 wieder Konzerte 
    stattfinden können, die Neue Wache und 
    
    
    – ausgerechnet 
    
    
    – die künstliche Ruine 
    auf einer Insel im Bagno-See.  
     
    Hier könnte die Geschichte des Bagnos zu Ende sein.  
     
    Die Zeitschrift Merian nannte die heutige Ansicht des einst berühmten 
    Vergnügungsparks eine "wohltuende Leere". Das 
    ist eine sehr schöne und zutreffende Formulierung, denn vom Amüsierpark ist 
    praktisch nichts 
    geblieben.  
     
    Doch gut 240 Jahre nach den Anfängen des gräflichen Gartenbaus wollte man sich 
    in Steinfurt mit der Leere nicht zufrieden geben.  Man stellte 
    Schilder an alle Straßen, verwies auf das Bagno und renovierte mithilfe von 
    Denkmalpflegern im Zuge der 
    Regionale 2004, einer Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen, die Anlage an wichtigen 
    Stellen, zum Beispiel am Eingang. 
     
     
    
    
      
    
     
    
    Der griechische Tempel heute (Symbolfoto). 
    
     
    
     
    Dem großen Platz im Zentrum der Anlage, Bagno-Quadrat genannt, gab man 
    wieder Kontur. Doch wirkt die Anlage nicht puristisch, symmetrisch, klar, 
    sondern lustlos und leer. Eine große Fläche. Vor der Konzertgalerie findet sich seit 2004 ein 
    langes Becken, weit abseits ein paar Stuhlreihen, viel Sichtbeton und 
    Sandflächen. Man gab dem Gelände so ausgerechnet eine Interpretation jener 
    Strenge zurück, die schon Graf Karl gefallen hatte.  
     
    Auch stellte man viele Schilder vor zahllosen Gebüschen auf und verwies 
    darauf auf die Gebäude, die dort seit mindestens hundert Jahren nicht mehr 
    stehen. Der Parkplatz wurde auch schnell kostenpflichtig, man kann sogar 
    Dreimonats- und Jahreskarten erwerben, falls man die ausgedehnten 
    Grünflächen häufiger betrachten möchte oder einfach mehr Zeit braucht, sich 
    all die fantastischen Gebäude vorzustellen, die an dieser oder jener Stelle 
    einst gestanden haben mögen. Das wirkt in natura so bizarr, dass sich allein 
    für dieses absurde Erlebnis zumindest eine Tageskarte lohnt.  
     
    Das Bagno braucht wieder einen echten Garten-Narren.  
     
     
    
    
      
    
     
    Der 
    Chinesische Salon heute (Symbolfoto).  | 
    
     
    
    Links 
    
     Steinfurter Bagno in Google Maps 
    
     
    
     Konzertgalerie  |