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    Wann wird Kunst zur Kunst? Im 
    Internet, wo die Aura des Museums fehlt, muss Kunst mitunter zur Kunst 
    erklärt werden, um als solche zu gelten. Die Künstler karikieren ihre Kunst 
    bisweilen selbst. 
     
      
    So liefert die Internetkünstlerin Cornelia Sollfrank mit ihrem Projekt
    
     „Net 
    Art Generator" 
    dem bislang eher passiven Kunstbetrachter die Werkzeuge frei Haus, eigene 
    Kunst zu schaffen. Per Knopfdruck kann jeder aus dem Bildmaterial beliebiger 
    Websites neue Werke mischen. Lediglich die Anzahl der zu verwendenden 
    Bilder, die Größe des neuen Kunstwerkes und ein Suchbegriff müssen 
    eingegeben werden. Die Google-Bildsuche liefert die Bilder, 
    das Programm der 
    Künstlerin fertigt aus den  gefundenen Bilder einen mehr oder minder 
    stimmigen Remix: schon steht das neue Werk aus alten Stücken.  
      
    Doch Sollfranks „Net Art Generator" bewegt sich nah am Rand des 
    Urheberrechts. Bei der Bildkombination spielen die Rechte Dritter für den 
    Generator keine Rolle. Verarbeitet wird schlicht, was die Suchmaschine im 
    Internet findet.  
     
    Deshalb nannte Sollfrank ihre geplante Ausstellung in der 
    Veranstaltungsreihe „copy-create-manipulate“ des Baseler Medienforums 
     „plug 
    in“ 
    im November 2004 auch „This is not by me“. Mit diesem Titel bezieht sie sich 
    auf eine Signatur, die Andy Warhol für eine Reihe „seiner“ Drucke in den 
    60er Jahren verwendete. Konsequenterweise wollte die Künstlerin für die 
    Ausstellung in Basel auch Andy Warhols 
     Flowers-Werke 
    nutzen. Doch die Anwälte des Veranstalters schlugen Alarm. Um einen 
    möglichen Rechtsstreit mit der Warhol-Stiftung auszuschließen, wurde die 
    geplante Ausstellung gleich restlos aus dem Programm gestrichen. 
     
    Doch damit wollte sich die Künstlerin nicht begnügen. Sie befragte mehrere 
    Medienanwälte und zeichnete die Äußerungen auf Video auf. Die durchaus 
    unterschiedlichen Meinungen zu den Grenzen von Kunst und Urheberrecht hat 
    die Künstlerin dann auch gleich unter dem Titel „Legal Perspective“ in der 
    Baseler Ausstellung als Videoinstallation gezeigt. Not scheint auch hier 
    erfinderisch zu machen.  
      
     
     
      
    
     
     
    Bilderstrecke: Neue Gegenwart und der Net Art Generator 
    
    
    Klicken Sie hier, um die 
    Bilderstrecke zu öffnen. 
    
    
      
     
    
     
     
    
    Die Dokumente, in denen man Juristen beim Nachdenken über Kunst zusehen und 
    zuhören kann, präsentiert das Portal „iRights.info“ unter dem Titel: 
     „Wo 
    endet das Plagiat, wo beginnt die Kunst?“. Auch Rechtsanwalt Jens O. Brelle, Co-Autor dieses Textes, hat an 
    der Diskussion teilgenommen.
    In den Interviews werden die Grenzen der Kunst und des Urheberrechts 
    ausgelotet. So werden die Anwälte unter anderem gefragt, ob die neu 
    collagierten Warhol-Blumen tatsächlich gegen bestehende Rechte verstießen. 
     
     
    Der „Net Art Generator" könnte Urheberrechte Dritter verletzen, wenn das 
    bearbeitete Werk selbst urheberrechtlich geschützt ist. Im Falle von Warhols 
    „Flowers“ haben alle befragten Anwälte daran jedoch erhebliche Zweifel. 
    Darüber hinaus hat Andy Warhol lediglich durch einen Assistenten Siebdrucke 
    von einer Fotografie von vier Blumen von Patricia Caulfields anfertigen 
    lassen. Auch hier stellt sich die Frage: Handelt es sich dabei um eine 
    Bearbeitung oder eine freie Benutzung, also um eine nur unwesentliche 
    Bearbeitung? Im letzten Falle hätte er nicht einmal ein 
    Bearbeiterurheberrecht erworben, und die Warhol-Stiftung könnte nicht gegen 
    die Verwendung durch den „Net Art Generator" vorgehen.  
      
    Hier fragt der Medienanwalt Sven Krüger: „Wenn das so wäre, gäbe es Rechte 
    der Fotografin, die schon durch Warhol verletzt wurden und nun durch den 
    Benutzer des Generators erneut?“ Allerdings ist das fotografische Vorbild so 
    konventionell, dass daran im Zweifel allenfalls Leistungsschutzrechte 
    bestehen (das Recht an „einfachen Lichtbildern“). Diese haben eine 
    Schutzdauer von nur 50 Jahren nach ihrem Erscheinen. Die Rechte dürften 
    heute abgelaufen sein. „Man kann das Problem Stufe um Stufe nach hinten 
    verlagern“, sagt Krüger. Er hält es für unwahrscheinlich, dass die Suche 
    nach dem Rechteinhaber ergebnislos bleibt.   
      
    Die Frage, ob der „Net Art Generator" selbst ein schützbares Konzept sei, 
    beantworten die Anwälte unterschiedlich: Der Münchner Anwalt Peter Eller 
    meint, dass urheberrechtliche Fragen nicht beantwortet werden können, ohne 
    das zugrunde liegende künstlerische Konzept zu betrachten. Dieses Konzept 
    hält er im Falle des Netzkunst-Generators eindeutig für ein eigenständiges 
    Kunstwerk. „Deshalb sind auch die einzelnen Bilder, die sehr nah am Original 
    sein können, urheberrechtlich geschützt, auch vor Angriffen der 
    Original-Urheber.“ Der Hamburger Medienanwalt Jens O. Brelle dagegen sieht 
    Konzepte als Handlungsanweisungen, die genauso wenig wie Ideen schützbar 
    sind. Zwar sei „moralisch gesehen“ natürlich auch Konzeptkunst Kunst, aber 
    ob sie urheberrechtlich schützbar ist, müsse sich an den rechtlichen 
    Kriterien bemessen. Die Rechtsprechung lasse daran zweifeln. So gebe es 
    Urteile zu Konzepten für Fernsehsendungen, in denen deren Schutzwürdigkeit 
    abgelehnt wurde. 
     
    Das Projekt „copy-create-manipulate“ zeigt die Problematik der Abgrenzung 
    zwischen neuer Kunst und den Urheberrechten Dritter: wo genau fängt die neue 
    Kunst an? Wann werden die Rechte Dritter berührt? Eindeutige Antworten sind 
    nicht möglich, auch die drei befragten Medienanwälte waren sich nicht 
    einig. Schade, dass dem Baseler Medienforums der Mut zur Ausstellung fehlte. 
    Ein (Rechts-)Streit hätte mit Sicherheit noch weitere 
    interessante Diskussionen ausgelöst.   | 
    
     
     
     
     
     
     
    
     
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