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    Masuch: Ich habe kürzlich bei Polylux ein interessantes Interview mit einem 
    65-Jährigen gesehen, der sehr stolz darauf war, noch immer gegen seinen 
    Enkel im  Egoshooter gewinnen zu können. Kein Wunder, der Mann hing auch von 
    morgens bis abends vor dem Computer und war sozusagen gut im Training. Die 
    breite Masse wird das natürlich noch lange nicht so machen. Es ist einfach 
    so, dass die Generation unserer Eltern mit der Meinung aufgewachsen ist, 
    Spielen sei nur etwas für Kinder; Freizeitverhalten. Dass das auch anders 
    geht, erfahren jetzt die Jugendlichen, die gerade aufwachsen. Irgendwann 
    wird es niemanden mehr verwundern, wenn auch im Seniorenheim LAN-Partys 
    organisiert werden. Dann werden sich allerdings auch die Spiele-Inhalte 
    geändert haben, weil die aktuellen Egoshooter vielleicht etwas zu 
    schnell sind für Gamer im fortgeschrittenen Alter. Aber die Spiele passen 
    sich auch den Bedürfnissen der Spieler an. 
    Manche Spiele erfordern außerdem soviel Zeit, dass eigentlich nur Schüler, 
    Studenten und Arbeitslose spielen können. So etwas kann man schwer mit einem 
    regulären Job vereinbaren. Aber Senioren haben auch viel Zeit zum Spielen, 
    ich denke, dass ist eher eine Frage der Zeit.  | 
    
     
    
     
    
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    Neue 
    Gegenwart: Wie sieht die Situation in Deutschland aus? 
     
    Masuch: Spiele werden bei uns gesellschaftlich viel extremer diskutiert, als 
    dies im Ausland der Fall ist. In Österreich, zum Beispiel, gibt es, soweit 
    ich weiß, keine Gewaltdebatte um Computerspielinhalte. Was die Entwicklung 
    von Spielen angeht, sind wir technologisch in Deutschland gut aufgestellt, 
    nur die Ausbildungsmöglichkeiten sind unzureichend – das merken wir auch an 
    der Uni. Es ist nicht festgelegt, was ein Spieleentwickler überhaupt können 
    muss; es gibt kein Diplom für Spieleentwickler. Momentan glauben wir, dass 
    dies der Markt auch noch gar nicht aufnehmen würde. Wenn jedoch gute Leute 
    ausgebildet werden, dann gründen sie Studios, die wieder gute Leute 
    anziehen. Da würde man also eine Schleife anstoßen, die wir bisher leider 
    noch vermissen. 16 Filmhochschulen gibt es in Deutschland, aber 
    seltsamerweise keine Hochschule, die sich ausschließlich mit der Entwicklung 
    von Computerspielen auseinandersetzt. Und wenn sich nicht um die 
    Nachwuchsausbildung und Nachwuchsförderung gekümmert wird, kann man sich 
    auch nicht wundern, dass die großen Nachwuchstalente ausbleiben. Das ist im 
    Filmbereich zum Beispiel völlig anders. 
     
    
    Neue Gegenwart: In Filmen sind Product Placements und andere Werbeformen 
    längst akzeptiert. Wie sieht das in Computerspielen aus? 
     
    Masuch: Product Placements machen häufig eine virtuelle Welt erst 
    authentisch. Das ist ein entscheidender Unterschied zum Film oder generell 
    zu Werbung. Es ist hier nicht so, wie wir das aus anderen Bereichen kennen, 
    wo uns Werbung eher als lästig erscheint. So soll  
     Sam Fisher im neuen 
     
    
     Splinter Cell-Abenteuer Telefone von Sony-Ericsson nutzen, was eher 
    Authentizität vermittelt. Es gibt hier also eine Werbe-Akzeptanz, wie man 
    sie beispielsweise auch in Fußballspielen sieht. Da müssen die richtigen 
    Werbebanner auch dabei sein, weil man das aus den realen Fußballstadien 
    kennt. Product Placements in Computerspielen sind jedoch erst im 
    Anfangsstadium. Die Werbewirtschaft entdeckt dieses Medium erst, weil 
    angenommen wird, dass die Anzahl der Rezipienten noch nicht groß genug ist. 
    Ich erreiche vielleicht zehn- bis zwanzigtausend Konsumenten – und das bei 
    einem relativ großen technischen Aufwand. Die Entlohnungsmodelle sind auch 
    noch nicht klar. Bei einer Anzeige in einer überregionalen Zeitung weiß ich 
    genau, dass sie 30.000 Euro pro Seite kostet. Was aber kostet Werbung in 
    einem Computerspiel? Da gibt es noch keine Modelle und kaum Akquise seitens 
    der Spieleproduzenten. Einige Großproduzenten, wie zum Beispiel Electronic 
    Arts, versuchen jetzt Product Placements und virtuelle Werbeflächen zu 
    verkaufen, das ist aber – wie gesagt – noch im Anfangsstadium.  
     
    Neue Gegenwart: Werbung in Computerspielen könnte über Internet-Verbindungen 
    aktualisiert werden. Welche Szenarien sind denkbar? 
    
     
    Masuch: Technisch gesehen die Gleichen, wie sie bei Internet-Werbung momentan 
    schon im Einsatz sind. Natürlich kann man in einer Fantasy-Welt schlecht 
    Auto-Werbung einblenden. Aber da kann sich die Werbe-Industrie wieder ein 
    paar neue Formate einfallen lassen – muss sie auch, denn die Akzeptanz der 
    Beworbenen entscheidet auch über den Erfolg des Spiels als Produkt. Und 
    Spieler merken schnell, wenn sie nur abgezockt werden. 
     
    Neue Gegenwart: Und sie reden miteinander, die Vernetzungsmöglichkeiten der Spieler nehmen zu. 
    Bildet sich eine Parallelgesellschaft im Virtuellen? 
    
     
    Masuch: Virtuelle Dienstleistungen werden zunehmen. Wenn ich in einem Spiel, 
    beispielsweise in „ World of Warcraft“, ein magisches Artefakt oder etwas 
    derartiges benötige, oder die Eigenschaften meiner virtuellen Spielfigur 
    verbessern – also „hochleveln“ – will, dann kann man sich durchaus 
    vorstellen, dass in einer virtuellen Welt auch virtuelle Dienstleistungen 
    angeboten und real bezahlt werden. Das ist eine Dienstleistung wie jede 
    andere Dienstleistung auch. Das ist jetzt aber nicht so ungewöhnlich. Bei 
    einer Telefonvermittlung ist der Kontakt ähnlich virtuell. 
     
    Neue Gegenwart:  Die Vernetzungskomponente gehört im Internet bereits seit den 
    Anfangstagen zum Standard und wird immer weiter verfeinert. 
    
     
    Masuch: Ich würde sogar entgegnen, dass die Spiele vorher da waren. Die 
    Massive Multiplayer-Spiele sind eng verbunden mit sozialer Vernetzung. 
    Historisch gesehen hat alles mit Adventures angefangen, bei denen sich 
    mehrere Leute einloggen und zusammen spielen konnten, wie beispielsweise bei 
    „Quest“. Aus solchen Funktionen ist dann erst die Internet-Community „ The 
    Well“ entstanden und damit die Basis für unzählige derartige 
    Online-Communities. Wir haben schon heute in Massive Multiplayer-Spielen 
    eine sehr starke Vernetzung der Spieler. Innerhalb des Spiels geschieht dies 
    in Clans und Gilden, außerhalb der Spielewelt durch Fansites und Clanssites. 
    Die Vernetzung der Computerspieler ist also schon sehr hoch. Man definiert 
    sich über bestimmte Communities und Clans, wie in „World of Warcraft“, 
    „Ultima Online“ oder „Everquest“.  
     
    Neue Gegenwart: Können sie schon Trends benennen, wie sich die Spielewelten 
    weiter entwickeln werden?  
    
     
    Masuch: Die meisten Prognosen sind ja leider dadurch gekennzeichnet, dass 
    sie sich nachher als falsch erweisen. Einige Trends lassen sich allerdings 
    fortschreiben. Erstens: Spielen wird alltäglicher. Wir werden das an ganz 
    unterschiedlichen Stellen sehen. Die Vernetzung wird so umfassend sein, das 
    man die Spielewelt auch durch ganz unterschiedliche Medien betreten kann. So 
    wird man beispielsweise die virtuellen Welten von überall betreten können: 
    ob über die Großprojektion zu Hause, über ein mobiles Gerät in der Bahn oder 
    eine Gruppenveranstaltung. Zweitens wird es auf der Seite der Hersteller 
    weitere Konzentrationsprozesse geben, weil die Spielewelten inzwischen eine 
    dermaßen große Komplexität und hohe Produktionskosten erreicht haben. Wir 
    werden weniger neue Spiele, dafür aber teurere und aufwendigere Spiele 
    sehen. Die Hersteller werden ihre Big Titles genauso bewerben müssen, wie 
    das heute bei Kinofilmen der Fall ist. Fünfzig bis hundert Millionen 
    Dollar-Produktionen kann ich mir mittelfristig durchaus vorstellen. Und 
    natürlich wird es auch – drittens – nach wie vor kleinere Nischenmärkte 
    geben, mit nicht so hohen Stückzahlen, aber dafür zum Beispiel mit innovativeren 
    Ideen..  
     
    Weitere Trends sind sicherlich die Organisation von lokalen Gruppen-Events, 
    also alle beteiligten Spieler im selben Raum sind wie bei LAN-Partys – und 
    eben nicht über das Internet an allen möglichen Orten, aber mit teurer, 
    aufwändiger Hardware. Da wird sich ein Eventcharakter für „location based 
    entertainment“ entwickeln, ähnlich wie wir das beispielsweise im Kino schon 
    haben. Man könnte dann zudem alle möglichen Interaktionsgeräte anbieten, 
    eine Verschmelzung von realer und virtueller Welt wäre die Folge.  
     
    Neue Gegenwart: Wo sind weitere Aspekte der Verschmelzung von realer und 
    virtueller Spielewelt denkbar? 
    
     
    Antwort: Einfach im Verschmelzen von Arbeit und Spiel. Viele Menschen, die 
    ich kenne, verbringen sowieso den größten Teil ihres derzeitigen Lebens vor 
    dem Rechner. Da liegt es nahe anzunehmen, dass Arbeits- und Spielewelt 
    nahtlos ineinander übergehen können. Hier werden zukünftige Spiele die 
    Grenze weiter aufweichen, wie es damals das Spiel „ Majestic“ probiert hat. 
     
    
    Neue Gegenwart: 
    Die schwierigste Frage ganz zum Schluss. Was spielen Sie am liebsten? 
    
    
     
    Masuch: Das ändert sich natürlich immer wieder mit jedem tollen neuen Spiel, 
    das rauskommt. Als Klassiker kann ich „Pac Man“ nennen. Das ist eine geniale 
    Idee, ein tolles Spiel, in dem man das erste Mal einen virtuellen Charakter, 
    ein richtiges Pop-Icon, erschaffen hat. Ebenfalls ein sehr gutes Spiel ist 
    „Thief – The Dark Project“. Da ist jemand zum ersten Mal auf die Idee 
    gekommen, einen Egoshooter zu machen, der in erster Linie darauf ausgelegt 
    ist, möglicht jegliche Gewalt zu vermeiden. Das hat mir von der Idee und von 
    der Umsetzung sehr gefallen. Betrachtet man das Interface und die grafische 
    Gestaltung, ist „World of Warcraft“ oder auch „Warcraft 3“, als Vorlage für 
    „World of Warcraft“, mein Favorit. Die Produzenten haben Spiele-Interfaces 
    geschaffen, die sind einfach wunderbar. Auch die Verkaufszahlen zeigen diese 
    Qualität. Das sind meine drei Favoriten, aber die ändern sich natürlich 
    häufig.  
     
    
    Neue Gegenwart: Herr Professor Masuch, herzlichen Dank für das Gespräch.  
     
     
    Zur Person 
     
    
    Prof. Dr.-Ing. Maic Masuch ist 
    Juniorprofessor für 
     grafische 
    und interaktive Methoden für Computerspiele an der Universität 
    Magdeburg. Masuch baute die Arbeitsgruppe 
    während seiner Promotionszeit an der Fakultät für Informatik auf und ist nun 
    Deutschlands erster und zugleich einziger Professor für Computerspiele. Sein 
    Forschungsinteresse gilt der Wissensvermittlung in Computerspielen. Er ist 
    zugleich geschäftsführender Gesellschafter der 
     Impara 
    GmbH, die sich mit der Entwicklung von Technologien und Produkten 
    im Bereich  Edutainment befasst. Lernumgebungen und Computerspiele, in 
    denen eine rechnerübergreifende Zusammenarbeit mehrerer Nutzer möglich ist, 
    stehen dabei im Mittelpunkt.  | 
    
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